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Dem Lärm auf der Spur

Mit Flüsterbremse und neuen Technologien für den Schienenweg zur Leisen Bahn

BahnaktuellBerlin, 11.10.2012 (BA/gm)
Die Deutsche Bahn hat sich das Ziel gesetzt, den Schienenverkehrslärm ausgehend von 2000 bis 2020 zu halbieren. Erreicht werden kann dies nur mit unterschiedlichen Maßnahmen am Fahrweg und am Fahrzeug.

Rollgeräusche dominieren den Lärm
Schienenverkehrslärm hat unterschiedliche Ursachen. Die wichtigste Quelle ist der Rad-Schiene-Kontakt. Das Rollgeräusch von Güterwagen ist dabei besonders ausgeprägt. Grund: Diese Wagen werden traditionell mit Bremsklötzen aus Grauguss gebremst, die auf die Lauffläche drücken. Bei den Bremsvorgängen wird dadurch im Laufe der Zeit die Radlauffläche aufgeraut. Als Folge entsteht beim Rollen Lärm.

Die Verbundstoffsohle halbiert Lärmemission der Güterwagen
Die Lösung: glattes Rad auf glatter Schiene. Getrieben von den Eisenbahnen hat die Industrie bereits Verbundstoffbremssohlen entwickelt. Diese „Flüsterbremse“ beugt der Verriffelung der Radlauffläche vor. Rund 10 Dezibel (dB(A)) weniger Lärm geht vom vorbeifahrenden Zug auf einem durchschnittlichen Gleis aus, wenn die Wagen mit Verbundstoffbremsklötzen ausgestattet und die Räder entsprechend blank sind. Glattes Rad auf glatter Schiene bringt hörbare Erfolge, subjektiv entsprechen die 10 db (A) einer Halbierung des wahrgenommenen Rollgeräusches.

Von den Verbundstoffbremsklotzsohlen ist die sogenannte Kompositsohle
(K-Sohle) seit 2003 international unbeschränkt zugelassen. Bereits seit der vorläufigen Zulassung im Jahr 2001 beschafft DB Schenker alle neuen Güterwagen mit dieser Sohle. Über 7.000 Wagen sind heute bei der Deutschen Bahn bereits im Einsatz. Gefördert mit Mitteln des Projektes „Leiser Rhein“ (7,5 Mio. Euro) wird DB Schenker Rail Deutschland in 2012/13 darüber hinaus 1.250 Güterwagen auf leise Sohlen umrüsten. Insgesamt fahren heute in Deutschland etwa 20.000 – 25.000 Güterwagen verschiedenster Güterbahnen mit leisen Sohlen.

Technische Umrüstung von Güterwagen notwendig
Damit die Flüsterbremse flächendeckend ihre Wirkung entlang der Gleise entfalten kann, ist die konsequente Umrüstung von Güterwagen mit Grauguss- auf Verbundstoffbremssohle notwendig. Fachleute sagen, dass hörbare Erfolge erst dann eintreten, wenn mindestens 80 Prozent aller Güterwagenlaufleistungen mit Verbundstoffbremsklotzsohle erbracht werden. Für den Schienengüterverkehr in Deutschland heißt das: Rund 180.000 Wagen müssen umgerüstet werden, etwa 60.000 davon bei DB Schenker Rail. Auf dem deutschen Eisenbahnnetz fahren weitere rund 60.000 Güterwagen privater deutscher Wagenhalter und etwa 60.000 Wagen ausländischer Bahnen und ausländischer privater Wagenhalter mit nennenswerter Laufleistung.

Auch wenn einzelne Züge deutlich leiser fahren, wenn sie vollständig aus leisen Wagen gebildet werden können, ist eine nennenswerte Lärmreduzierung also nur durch eine umfassende Umrüstung zu erreichen.

Mit gezielten Maßnahmen kostengünstige Umrüstbarkeit forcieren
Die Umrüstung der Fahrzeuge kostet Geld. Pro Güterwagen rechnen Industrie und DB bei der K-Sohle mit 5.000 – 7.000 Euro, weil das gesamte Bremssystem der Güterwagen umgebaut werden muss. Die Kosten können die Unternehmen im Schienengüterverkehr nicht tragen, weil diese am hart umkämpften Güterverkehrsmarkt nicht verdient werden können, zumal der Wettbewerber LKW nicht mit Lärmzuschlägen belastet wird und auch deshalb keine Durchsetzbarkeit der erhöhten Kosten am Markt gegeben ist.

ÖBBMit Nachdruck arbeiten deshalb Industrie, Eisenbahnunternehmen und Wagenhalter an einer kostengünstigeren Flüsterbremse für die Umrüstung. Die Bremssohlen sollen einfach austauschbar sein, ohne technische Umbauten am Fahrzeug selbst. Ergebnis dieser Entwicklung ist die Verbundstoffbremsklotz-sohle vom Typ „LL“. Diese Bezeichnung steht für „low noise, low friction“ – wenig Lärm, niedriger Abrieb. Die Kosten der LL-Sohle sollen sich bei etwa einem Drittel der Kosten der K-Sohle bewegen. Die Technik ist in der konkreten Erprobung, für den täglichen Betrieb ist die neue Sohle aber noch nicht verfügbar. Der im Dezember 2010 mit mehreren europäischen Bahnen und Wagenhaltern gestartete „EuropeTrain“, dessen Güterwagen überwiegend mit LL-Verbundstoff-Bremssohlen ausgestattet sind, bietet die dringend benötigten Testmöglichkeiten, die LL-Sohlen europaweit in der Praxis und unter unterschiedlichsten topografischen, klimatischen und infrastrukturellen Bedingungen auf ihre Auswirkung auf den Radverschleiß und auf das Fahrverhalten zu prüfen. Daraus können dann die entsprechenden Lösungsansätze entwickelt werden, um bald für betrieblich akzeptable LL-Sohlen die Systemzulassung und Serienreife zu erreichen. Parallel forciert die DB mit finanzieller Unterstützung des Bundes die Entwicklung weiterer LL-Bremssohlenbauarten.

Lärmsanierungsprogramm des Bundes auch offen für Umrüstung von Wagen
Bereits für 2007 hat der Bund die Mittel für das jährliche Lärmsanierungsprogramm auf 100 Millionen Euro aufgestockt. Mit diesen seit 1999 zur Verfügung stehenden Mitteln wurden zwischenzeitlich 770 Ortsdurchfahrten saniert. Hierbei wurden 387 km Schallschutzwände gebaut. Der Bund fördert mit diesen Mitteln auch das Pilot- und Innovationsprogramm „Leise Güterwagen“, um somit den Einstieg in die Umrüstung von Güterwagen auf Verbundstoffbremsklotzsohle zu erleichtern. Damit verbunden ist die Maßgabe, die Umrüstung von Güterwagen auf dem stark nachgefragten Güterverkehrskorridor am Rhein voranzutreiben. Das jährliche Volumen für Weiterentwicklung und Umrüstung beträgt zehn Millionen Euro.

Erprobung innovativer Maßnahmen am Fahrweg
Im Rahmen des Konjunkturprogramms II der Bundesregierung flossen in den Jahren 2009 bis 2011 rund 80 Millionen Euro in die Erprobung innovativer Lärmschutzmaßnahmen an den Schienenwegen. Bewähren sich die Maßnahmen in der Praxis und werden sie vom Eisenbahn-Bundesamt mit ihrer Lärm mindernden Wirkung zugelassen, können sie das bestehende Portfolio an bekannten Lärmminderungsmaßnahmen am Schienenweg ergänzen. Sie können dann auch dort eingesetzt werden, wo konventionelle Schallschutzwände wegen der städtebaulichen oder topografischen Situation nicht sinnvoll oder nicht gewünscht sind und dort einen Beitrag zum aktiven Lärmschutz liefern.

Erprobt werden unter anderem folgende Technologien:

  • Schienenstegdämpfer (SSD) sind Masse-Feder-Systeme, die unmittelbar an beiden Seiten der Schiene angebracht werden. Sie dämpfen die durch die Zugüberfahrten angeregten Schienenschwingungen aufgrund der größeren Masse und reduzieren dabei das abgestrahlte Geräusch des Rad-/Schienekontakts aus der Zugüberfahrt. SSD sind somit aktive Maßnahmen des Lärmschutzes, sie reduzieren bereits die Lärmabstrahlung an der Quelle.
  • Brückenabsorber reduzieren das Dröhnen von Stahlbrücken durch Einsatz von Masse-Federsystemen an den Brückenstegen. Brückenabsorber werden auch in Kombination mit anderen Maßnahmen an der Brücke erprobt.
  • Niedrige Schallschutzwände: Bei den niedrigen Schallschutzwänden (nSSW) handelt es sich um Schallschutzwände in einer Höhe von 55 cm bzw. 76 cm über Schienenoberkante, die aufgrund ihrer Höhe in einem Abstand von bis zu 1,78 m zur Gleisachse angeordnet werden können. Niedrige Schallschutzwände können künftig ein wichtiger Baustein des Schallschutzes werden und dort zum Einsatz kommen, wo heute aus städtebaulichen und Denkmalschutzgründen oder wegen des Landschaftsbildes und der Zerschneidungswirkung keine hohen Schallschutzwände errichtet werden dürfen auch wenn sie deren Wirkung nicht vollständig erreichen können.
  • Besohlte Schwellen verringern die Weiterleitung von Schwingungen in das Schotterbett. Ähnlich einer Schuhsohle werden die Schwellen mit elastischem Material „besohlt“. Dadurch wird die Übertragung in den Untergrund und damit auch in benachbarte Objekte vermindert.
  • Durch das Verschäumte Schottergleis soll im Lastausbreitungsbereich eine Reduzierung der Körperschallübertragung erfolgen.
  • Eine Kombination aus Gabione und Unterschottermatte mindert Lärm- und Erschütterungsemission. Der auf einer Unterschottermatte liegende Schotter muss seitlich gefasst werden, damit er nicht auseinander fließen kann. Dafür sorgen beidseitig aufgestellte Gabionen, das sind mit gebrochenen Steinen befüllte Körbe, wie sie im Landschaftsbau bereits vielfach Verwendung finden. Der Einsatz einer Unterschottermatte auf hartem Untergrund wie z.B. Fels ist eine Möglichkeit zur Minderung von Erschütterungen.

Lärmabhängiges Trassenpreissystem (LaTPS)
Die DB Netz AG hat die Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems zum 09. Dezember 2012 beschlossen und setzt die Eckpunktevereinbarung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) vom 05. Juli 2011 um. Durch die Einführung eines Trassenpreisbonus für leise, umgerüstete Güterwagen sollen finanzielle Anreize zur Umrüstung auf lärmreduzierende Bremstechnologien geschaffen werden. Ziel ist es den Schienenlärm bis 2020 flächendeckend und dauerhaft um bis zu 10 dB (A) zu verringern. Der Bonus richtet sich direkt an die Wagenhalter als finanzielle Unterstützung für umgerüstete Güterwagen.

Das LaTPS wird durch Zuschüsse des Bundes und einen Trassenpreiszuschlag für laute Güterzüge finanziert. Damit wird die Umrüstung zu gleichen Teilen durch die Eisenbahnverkehrsunternehmen und die öffentliche Hand finanziert. Bei rund 180.000 umzurüstenden Wagen, die in Deutschland verkehren, betragen die Kosten für die Umrüstung ca. 300 Millionen Euro.

Die lärmabhängige Entgeltkomponente auf den Trassenpreis wird für laute Güterzüge erhoben, wenn die LL-Sohle oder eine gleichwertige Alternative zugelassen und verfügbar ist. Ein Zugverband gilt als leise, wenn dieser zu mindestens 80 Prozent aus die TSI-Anforderungen (europäische Richtlinie) einhaltenden Güterwagen besteht. Diese sind von der Erhebung der lärmabhängigen Entgeltkomponente ausgenommen.

Weitere Informationen zum LaTPS gibt es auf der Internetseite www.deutschebahn.com/latps, zum Thema Lärm allgemein auf der Seite www.deutschebahn.com/laerm. Unter www.deutschebahn.com/laermgrafik ist eine interaktive Karte zu allen Maßnahmen des Lärmsanierungsprogramms sowie unter www.deutschebahn.com/laermgrafik-innovativ zu den innovativen Maßnahmen abrufbar.

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