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Die Stadt Aachen steht vor einem Systemwechsel in Sachen ÖPNV

Aachener Studientour nach Eberswalde: Verantwortliche für Verkehrspolitik informieren sich über die Möglichkeiten des Trolley-Busses • Man holte sich in einem Workshop Informationen zu Dieselbusalternativen ein • Rund 25 Teilnehmer aus Verwaltung, Politik sowie Verkehr- und Versorgungsbetrieb zeigten sich von den technischen Möglichkeiten von E-Bussen begeistert • Oberleitungsbusse, Hybridbusse und Batteriebusse wurden den konventionellen Dieselbussen gegenübergestellt

Aachen, 06.10.2014 (BA/gm)
Am 8. September 2014 drehte sich im Sitzungssaal des Paul-Wunderlich-Hauses Eberswalde alles um das Thema „Elektromobiler Busverkehr. Der Einsatz von e-Bussen im ÖPNV.“ Auf die Delegation, die aus Aachen und Solingen angereist war, wartete ein ganztägiger Workshop, der neben zahlreichen Vorträgen auch eine Fahrt mit dem ersten Oberleitungs-Hybrid-Bus Europas und eine Besichtigung des Betriebshofes der Barnimer Busgesellschaft mbH (BBG) umfasste. Zu den Referenten zählte auch Arnulf Schuchmann von trolley:motion.

Aachen, die nordrhein-westfälische Kurstadt mit rund 242.000 Einwohnern steht vor einem Systemwechsel. 67 Millionen Fahrgastbewegungen jährlich werden mit Dieselbussen geleistet. Um die wachsenden Mobilitätsansprüche effizient zu bewältigen, muss das Verkehrssystem besser früher als später erweitert werden. Konventionelle Bussysteme mit Verbrennungsmotor scheiden durch die steigende Luftbelastung durch Schadstoff- und Treibhausgas-Emissionen aufgrund der Kessellage der Stadt jedoch weitgehend aus. 2013 scheiterte eine geplante Straßenbahnlinie an einem Volksentscheid. Ein Pilotprojekt, bei dem die (ASEAG) einen Hybrid-Bus zu einem Elektrofahrzeug umgebaut hat, soll demnächst starten.

„Es ist immer gut, dort hinzusehen, wo man schon einen Schritt weiter ist“, brachte es Gisela Nacken, Dezernentin der Stadt Aachen und Beigeordnete für Planung und Umwelt zu Beginn des Workshops auf den Punkt. Rund 25 Teilnehmer aus Verwaltung, Politik sowie den Verkehrs- und Versorgungsbetrieben hatten die Gelegenheit genutzt, um das moderne Oberleitungssystem von Eberswalde unter die Lupe zu nehmen und in Vorträgen die technischen Möglichkeiten von Elektro-Bussen – insbesondere des Trolleybusses – vorgestellt zu bekommen.

Nach einer Probefahrt mit dem Oberleitungs-Hybridbus inklusive Demonstration des abschnittsweisen, oberleitungsfreien Fahrens verglich Stefan Baguette, der Leiter der Marktanalyse bei Solaris, dem europäischen Marktführer bei der Herstellung von Oberleitungsbussen, die Möglichkeiten und Potenziale von Hybridbus, Oberleitungsbus und Batteriebus und stellte sie konventionellen Dieselbussen gegenüberstellte. Sein Credo: Batterien haben Platzbedarf und viel Gewicht, Oberleitungen ermöglichen höhere Fahrgastzahlen.

Er übergab das Wort an Frank Wruck, Geschäftsführer der BGB, der das Eberswalder O-Bus-System vorstellte, das dort seit 1940 in Betrieb ist. Praktische Aspekte wie Betriebskosten, Lebensdauer und Energieverbrauch, aber auch technische Themen wie Elektrosmog, Supercaps und die Trichterlösung beim Andrahten standen dabei im Mittelpunkt und wurden bei einer anschließenden Fragerunde noch vertieft.

Der Vortrag von Marcel Manheller, Projektleiter Bus & E-Mobilität bei der Vossloh Kiepe GmbH, lieferte eine Übersicht der alternativen Antriebstechnologien für den elektromobilen Busverkehr. Dabei ging er unter anderem auf den Zusammenhang zwischen Fahrtgeschwindigkeit und Batterieleistung ein, und gab seinen Zuhörern einen Einblick in die Planung eines Oberleitungsnetzes.

Thoralf Knote vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme brachte die Teilnehmer des Workshops zurück an den Anfang der Planungsaktivitäten und betonte die Wichtigkeit einer fundierten Machbarkeitsstudie. Insbesondere sollten dabei das tatsächliche Potenzial der Busse und ihre Eignung für eine bestimmte Linie im Vordergrund stehen. Auch das Einsatzpotenzial auf allen Linien einer Stadt, spiele eine große Rolle.

Arnulf Schuchmann von trolley:motion informierte über die Wirtschaftlichkeit von e-Bus-Systemen im Vergleich, anschaulich dargestellt an einer konkreten Berechnung für die Stadt Leipzig. Hohe Investitionen erforderten lange Lebensdauern und intensive Nutzung, Trolleybusse seien häufig die sinnvollere Alternative im Vergleich zur Tram. Eine Einschätzung zum Status quo aller verfügbaren Elektrobussysteme rundete seinen Vortrag ab.

Den Schlusspunkt setzte Marcin Wolek von der Universität Danzig, Polen, der noch einmal ein konkretes Beispiel auf den Tisch brachte: „Das Obussystem der Stadt Gdynia – erste Erfahrungen mit stationären und mobilen Energiespeichertechnologien“. Auch in Gdynia verkehren seit 1943 Trolleybusse, ähnlich lange wie in Eberswalde. In beiden Städten – wie auch in Solingen – würden Sie von der Bevölkerung sehr gut akzeptiert.

„Die heutigen Beiträge haben uns eine Handlungsanleitung gegeben, und das ist sicherlich das, was die anwesenden Politiker von hier mitnehmen werden. Eine plausible Herangehensweise kann sein, in einer Machbarkeitsstudie mögliche Ansätze herauszufinden und in einem Testversuch auszuprobieren, aber auch frühzeitig eine Bürgerdiskussion zu führen, um Einwände auszuräumen“, fasst Uwe Müller, Abteilungsleiter für Verkehrsmanagement der Stadt Aachen das Gehörte zusammen.

„Aachen ist eine alte Stadt mit einem historischen Stadtkern, in dem ich mir Oberleitungen ganz ehrlich nicht vorstellen kann. Aber wie wir heute gelernt haben, kann man ja so kombinieren, dass zum Beispiel die Altstadt mit Batteriebetrieb abgedeckt wird. Ich glaube, das wäre ein guter Kompromiss, auf den sich auch viele Aachener einlassen würden. Allerdings wird auch das Finanzielle eine Rolle spielen. Es gibt ja die Möglichkeit, auf Bundes- und auf Europaebene Fördermittel für Elektrobusse zu bekommen, und das werden wir natürlich versuchen“, fügt Gisela Nacken hinzu.

Auf dem Rückweg nach Aachen stand für die Delegation am 9. September 2014 noch ein Besuch in Braunschweig auf dem Programm. Dort kommt seit 2013 die induktive Ladetechnik im Linienverkehr zum Einsatz. Organisiert, durchgeführt und begleitet wurde die Studientour von der Kölner Firma Rupprecht Consult.

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