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Experten bewerten Bahnreform als erfolgreich

Frankfurt a. M., 20.10.2014 (BA/gm)
„Die Regionalisierung des ÖPNV ist die Erfolgsgeschichte der Bahnreform. Regionalverkehr und Öffentlicher Personennahverkehr sind heute so gut wie nie zuvor.“ Allein von 2002 bis 2011 sei die Verkehrsleistung im Schienenpersonennahverkehr bundesweit um 33,5 Prozent gestiegen, die Zugauslastung habe sich um fast 20 Prozent erhöht, darauf wies Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir am vergangenen Freitag in Frankfurt auf dem Ingenieurtag des Verbandes Deutscher Eisenbahningenieure hin. Dort zogen hochrangige Referenten unter dem Motto „20 Jahre Bahnreform – quo vadis?“ Bilanz, ob und in welchen Bereichen die gewünschten Erfolge eingetroffen sind und wo künftig noch Verbesserungen notwendig sind.

Unter der Regie der Länder hat sich der Öffentliche Personennahverkehr in den vergangenen 20 Jahren erheblich verbessert. Heute sei fast das gesamte rollende Material modernisiert, immer mehr Bahnhöfe seien barrierefrei, verbundweite Nutzung von Tickets und aktuelle digitale Fahrgastinformationen seien selbstverständlich. „Wir werden dieses Angebot aber kaum aufrechterhalten können, wenn der Bund sich weiter aus der finanziellen Verantwortung schleicht“, sagte der Minister. Er wies darauf hin, dass dessen ÖPNV-Zuweisungen an die Länder, die sogenannten Regionalisierungsmittel, sind seit 2002 um 6,56 Prozent gestiegen sind, die weitgehend der Deutschen Bahn zufließenden Kosten für die Infrastrukturnutzung jedoch um 28,8 Prozent.

„Es ist absurd, dass der Bund nun die Regionalisierungsmittel für das Jahr 2015 sogar einfrieren möchte; zumal maßgebliche Kostensteigerungen ihm als Gewinne der Deutschen Bahn AG selbst zugutekommen. Der Bund muss seiner Verantwortung für den ÖPNV als ökologischer Alternative zum motorisierten Individualverkehr gerecht werden. Dazu muss er die Regionalisierungsmittel auf den gutachterlich nachgewiesenen Bedarf von 8,5 Milliarden Euro bundesweit aufstocken und sie jährlich verlässlich anpassen.“

Klaus Vornhusen, Konzernbevollmächtiger der DB AG für das Land Hessen, bezeichnete die Bahnreform als gute politische Entscheidung für den Schienenverkehr in Deutschland und als einzigartige Chance für das neu gegründete Unternehmen DB AG: „Die Mitarbeiter der DB haben die unternehmerische Neuausrichtung genutzt, um die Deutsche Bahn zu sanieren und für den Wettbewerb in geöffneten Märkten fit zu machen. Ergebnis ist ein solide aufgestelltes und nachhaltig erfolgreiches Unternehmen.“ Seit der Bahnreform sei in Deutschland der Schienenpersonenverkehr um 36 Prozent, der Schienengüterverkehr sogar um 58 Prozent gewachsen. Angesichts der internationalen Präsenz von Kunden und Wettbewerbern habe sich die Internationalisierung der DB als zwingend erwiesen.

Als Beispiel nannte Vornhusen das System „Automotive RailNet“ von DB Schenker, das Hersteller und Lieferanten der europäischen Automobilindustrie nutzen, um mit täglich 250 Zügen grenzüberschreitend Absatzmärkte und Produktionsstätten zu verbinden. Den Aufwärtstrend wolle die DB AG mit der Strategie DB2020 nachhaltig machen und auf einer stabilen deutschen Basis das weltweit führende Mobilitäts- und Logistikunternehmen werden, so Vornhusen. Ziel sei, ebenso Top-Arbeitgeber, wie Umwelt-Vorreiter und profitabler Marktführer mit zufriedenen Kunden zu sein. Allerdings dürften verschärfte ordnungspolitische Rahmenbedingungen für die Schiene in Deutschland nicht zur kostenträchtigen Belastung im Wettbewerb werden. Vornhusen zeigte sich zuversichtlich, dass mit der gegenwärtig anstehenden Weichenstellung die Erfolge der Bahnreform fortgeschrieben werden können.

Andreas Schwilling, Partner im Competence Center Transportation bei Roland Berger Strategy Consultants GmbH, bestätigte den Anstieg in den Bereichen Verkehrsleistung und fügte hinzu, dass der jährliche Mittelbedarf des Bundeshaushaltes für Eisenbahnen in Deutschland um ca. vier Mrd. EUR gesenkt worden sei. Damit sei eine deutliche Entlastung des Bundeshaushaltes erreicht worden, so Schwilling weiter. Auch die umweltpolitischen Ziele der Bahnreform sah Schwilling mit einer durchschnittlichen Senkung des relativen CO2 – Ausstoßes um 40 Prozent seit 1994 als erreicht an.

Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, plädierte dafür, mehr Geld für die Schieneninfrastruktur zu investieren und eine Kompensation der EEG-Mehrbelastung durch den Ausgleich bei der Stromsteuer anzustreben. „Um Chancengleichheit zwischen Schiene und anderen Verkehrsträgern zu gewährleisten, muss eine Fernbusmaut eingeführt werden und es müssen die gleichen Fahrgastrechte herrschen“, bekräftigte Flege.

Hintergrund zur Bahnreform:
1993 sah sich das Eisenbahnwesen in Deutschland in einer Sackgasse. Der Marktanteil der Wettbewerber im Personenverkehr war auf zwei Prozent, im Schienengüterverkehr sogar auf ein Prozent pro Tonnenkilometer gesunken. Die Instandhaltung der Eisenbahnen in Deutschland kosteten den Bund ca. 20,5 Mrd. Euro jährlich. Die Umweltbilanz wies mit einem CO2 – Ausstoß von 110g je Passagierkilometer im Personenverkehr bzw. 38g pro Tonnenkilometer im Güterverkehr keine befriedigenden Ergebnisse auf.

Da ein weiterer Rückgang des Marktanteils der Schiene drohte und Experten ein erhebliches Verkehrswachstum durch die Osterweiterung und europäische Integration erwarteten, waren sich die Politiker parteipolitisch einig, dass eine umfassende Reform nötig war, damit das System Bahn den vorliegenden Anforderungen gerecht werden konnte. Die Ziele der Bahnreform waren den Schienenverkehr zu stärken, den Bundeshaushalt zu entlasten und die Umweltaspekte zu verbessern.

Als Erfolg der Bahnreform kann verzeichnet werden, dass der relative CO2 – Ausstoß 2012 auf 68g je Passagierkilometer im Personenverkehr bzw. 22g pro Tonnenkilometer im Güterverkehr gesenkt wurde. Die Instandhaltungskosten der Eisenbahnen in Deutschland betrugen 2013 nur noch 16,7 Mrd. Euro jährlich.

Der Marktanteil der Wettbewerber im Personenverkehr lag 2013 bei 26 Prozent, im Schienengüterverkehr bei 33 Prozent pro Tonnenkilometer.

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