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Braunschweig: OB schlägt umfassenden Ausbau des Stadtbahnnetzes vor

18 Kilometer Neubaustrecke bis 2030 sichern wachsenden Bedarf an Mobilität

Braunschweig, 15.01.2017 (BA/gm)
Die Stadtbahn bringt Braunschweig weiter: Ein Ausbau des Straßenbahnnetzes in sechs Korridoren mit insgesamt rund 18 neuen Gleiskilometern bis 2030 ist wirtschaftlich sinnvoll und kann den wachsenden Bedarf an Mobilität und Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr in der Zukunft am besten decken. Das hat das Bewertungsverfahren ergeben, das im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde. Oberbürgermeister Ulrich Markurth schlägt deshalb vor, das Stadtbahnnetz mithilfe von Bundes- und Landesmitteln bis 2030 von jetzt 39,6 auf rund 57 Kilometer zu erweitern. Das Ausbaukonzept mit dem Titel „Stadt.Bahn.Plus. – Bringt Braunschweig weiter!“ wird am kommenden Montag, 16. Januar, ab 18 Uhr den Bürgerinnen und Bürgern in der Stadthalle am Leonhardplatz vorgestellt und erläutert. 

Oberbürgermeister Markurth: „Braunschweig wächst. Im Jahr 2030 werden rund 20.000 Menschen mehr hier leben. Allein bis 2020 soll Planungsrecht für 5000 Wohnungen geschaffen werden. In der Nordstadt und an vielen anderen Stellen in der Stadt werden sich in diesem Jahr die Kräne drehen. Überall werden Häuser gebaut. Damit steigt der Bedarf an Mobilität. Neue Wohngebiete müssen gut an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen werden.“

„Denn Mobilität ist der Schlüssel“, so der OB weiter. „Sie bedeutet Lebensqualität für uns alle. Der regionale Bahn- und Busverkehr erhält dichtere Takte und mit erheblichen Investitionen in die Infrastruktur auch kürzere Fahrzeiten. Das wird mehr Menschen zum Umsteigen in den ÖPNV bewegen.

Schnelle Wege von den neuen Wohngebieten in die Innenstadt, die Stadtteile, die Gewerbegebiete, zum Hauptbahnhof und zu vielen anderen Zielen: Das sind die Kriterien für die Weiterentwicklung der öffentlichen Verkehrsmittel in unserer Stadt. Der ÖPNV trägt bedeutend dazu bei, dass Lärm vermieden und die Umwelt nachhaltig geschont wird. Um die bestmögliche Lösung für Braunschweig zu erarbeiten, wurden die Möglichkeiten der Zukunft einem volkswirtschaftlichen Bewertungsverfahren unterzogen. Es wurde untersucht, was Braunschweig weiter bringt: Der Ausbau von Busleistung oder der Ausbau des Stadtbahnsystems. Aus dem Vergleich ist der Ausbau des Stadtbahnsystems als volkswirtschaftlich lohnende Variante hervorgegangen. Die Stadtbahn kann den wachsenden Bedarf an Mobilität in Zukunft am besten und wirtschaftlichsten decken.“

Das Zielnetz kann nicht auf einmal gebaut werden. Vorgeschlagen wird deshalb ein stufenweises Vorgehen, das sich unter anderem am baulichen Zustand der bestehenden Infrastruktur orientiert. So müsste zum Beispiel – ohne Ausbau der Stadtbahn – die bisherige Wendeschleife Volkmarode in den nächsten Jahren erneuert werden. Entsprechend wurde folgende Zeitschiene entwickelt:

Stufe 1:

  • Bau der Verlängerung nach Volkmarode Nord vom Moorhüttenweg bis zum Neubaugebiet Volkmarode-Nord (Bewertungsfaktor 1,3; Länge: rund 1,2 Kilometer, geschätzte Baukosten rund 17 Mio. Euro, Baubeginn 2020).
  • Bau der Verlängerung vom Krematorium an der Helmstedter Straße nach Rautheim (Bewertungsfaktor 1,4; Länge: rund 3,4 Kilometer, Baukosten rund 31,4 Mio. Euro).

Stufe 2:

  • Projekt Salzdahlumer Straße: Neubau der Strecke vom Hauptbahnhof über Bebelhof und Klinikum bis zum Heidberg (Bewertungsfaktor 1,6 in Verbindung mit der Campusbahn, Länge rund 3,4 Kilometer, Baukosten rund 39 Mio. Euro).
  • Neubau der Campusbahn vom Güteranschlussgleis Heizkraftwerk nach Querum (Bewertungsfaktor 1,6 in Verbindung mit dem Projekt Salzdahlumer Straße; Länge rund 4 Kilometer, Baukosten rund 41,4 Mio. Euro).

Stufe 3:

  • Neubau der westlichen Innenstadtstrecke über Güldenstraße ODER Gördelingerstraße / Brabandstraße (Bewertungsfaktor 1,2 bzw. 1,3 als Gesamtprojekt mit der Strecke Lehndorf / Kanzlerfeld, Länge rund 950 oder 800 Meter, Baukosten rund 10 Mio. Euro).
  • Neubau der Trasse Lehndorf / Kanzlerfeld vom Radeklint über Rudolfplatz, Saarstraße und Bundesallee (Bewertungsfaktor 1, ; Länge rund 5,1 Kilometer, Baukosten rund 50,2 Mio. Euro).

Wichtig:
Für die Trassenführung sind Korridore definiert, noch keine konkreten Streckenführungen (Beispiel Güldenstraße oder Gördelingerstraße). Über den konkreten Streckenverlauf wird erst zu einem späteren Zeitpunkt unter erneuter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entschieden.

„Bereits heute stößt die Braunschweiger Verkehrs-GmbH auf ausgewählten Streckenabschnitten, gerade im Busverkehr, an ihre Leistungsgrenzen“, erläutert Geschäftsführer Jörg Reincke. „Wir müssen uns auf zusätzliche Nachfrage im ÖPNV vorbereiten. Das Liniennetz muss in jedem Fall angepasst, die Verkehrsleistung gesteigert werden. Die Frage ist: Wie schaffen wir das am zweckmäßigsten und effektivsten? Das Ergebnis der Untersuchung ist klar: Es ist die Stadtbahn, die diese Aufgabe in Zukunft am besten meistern kann.“

Zu den Vorteilen der Stadtbahn gegenüber dem Bus zählt zum Beispiel: Die Fahrgäste aus zwei Gelenk- oder drei Standardbussen passen in einen Tramino. Das bedeutet, dass weniger Fahrzeuge, Werkstattaufenthalte und weniger Personal im Busbereich benötigt wird. Die Ergebnisse zeigen: sieben zusätzliche Stadtbahnfahrzeuge ersetzen mehr als 20 Busse. Ziel ist es, durch die Attraktivitätssteigerung des ÖPNV insgesamt das Fahrgastaufkommen der Verkehrs-GmbH von derzeit 41 auf 50 Millionen jährlich zu steigern.

Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer: „Die entscheidende Größe des Untersuchungsergebnisses, die auch für eine Förderung des Ausbaus durch Land und Bund maßgeblich ist, ist der Kosten-Nutzen-Faktor. Er muss größer als 1 sein. Dann überwiegt, volkswirtschaftlich gesehen, der Nutzen die Kosten. Die Berechnung nach der bundesweit einheitlichen Standardisierten Bewertung hat ergeben, dass das vorgeschlagene Zielnetz 2030 mit einem Kosten-Nutzen-Faktor von 1,3 wirtschaftlich ist. Volkswirtschaftlich gerechnet bedeutet das: Jeder Euro, den wir in die Stadtbahn investieren, rentiert sich mit 1,30 Euro.“

Finanzierung
Das Zielkonzept umfasst eine Investitionssumme für den Stadtbahnausbau von ca. 200 Mio. Euro – verteilt bis 2030 – und kann im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz Bundesprogramm (GVFG-Bund) zur Förderung beantragt werden, in das Projekte ab 50 Mio. Euro Investitionssumme aufgenommen werden. Eine unverbindliche Anmeldung dazu hat der Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) gegenüber dem Land Niedersachsen bereits veranlasst.

Das GVFG-Bundesprogramm gewährt eine Übernahme von bis zu 60 Prozent der förderfähigen Kosten. Diese werden über das GVFG-Landesprogramm um bis zu weitere 15 Prozent ergänzt. Mit der Revision des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes (NNVG) stehen zudem dem ZGB mehr Mittel, auch zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen, zur Verfügung. Die Stadt Braunschweig bemüht sich, dass diese Mittel auch für Investitionen in die ÖPNV-Infrastruktur, zu denen auch das Stadtbahnausbaukonzept gehört, von den Landkreisen, Städten und Gemeinden ergänzend verwendet werden können.

In einigen Details unterscheiden sich die Richtlinien für die Förderung durch den Bund und das Land. Während der Bund ausschließlich Trassen auf besonderem Bahnkörper fördert, gewährt das Land Niedersachsen auch eine Förderung straßenbündiger Trassen mit bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, dass straßengebundene Abschnitte ausschließlich vom Land gefördert werden, besondere Bahnkörper gemeinsam von Bund und Land. Nach einer ersten Abschätzung sind von den geplanten 18 Kilometer Neubau mindestens 11 Kilometer auf besonderem Bahnkörper realisierbar.

Erste Vorstellungen des Konzeptes sowohl bei der Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) als auch beim Niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies sind erfolgt. Es wurde jeweils die deutliche Bereitschaft signalisiert, das Projekt positiv zu begleiten. Antragsteller beim Bund wird nach einer positiven Prüfung aller Unterlagen durch die LNVG das Land Niedersachsen sein. Da Niedersachsen neben dem zweigleisigen Ausbau der Weddeler Schleife derzeit keine weiteren Projekte für das GVFG-Bundesprogramm vorgesehen hat, sind die Chancen gegeben, in die Förderung aufgenommen zu werden.

Vom Zielnetz 2030 haben mindestens elf Kilometer der neu zu bauenden Strecke einen eigenen Gleiskörper. Geschätzte Baukosten: rund 122 Mio. Euro. Bei Förderung durch GVFG-Bund (60 Prozent) und GVFG-Land (15 Prozent) bliebe ein städtischer Eigenanteil von 30,5 Millionen Euro. Straßenbündiges Gleis wird zur Hälfte vom Land gefördert; bei zwei Kilometern bliebe ein städtischer Anteil von 11 Mio Euro. Bei den verbleibenden fünf Kilometern neue Schiene ist die Trassierung noch zu differenzieren (eigener Gleiskörper oder straßenbündiges Gleis). Dieser Prozess, bei dem auch Bürgerbeteiligung eine wichtige Rolle spielt, wird erst in die Wege geleitet, wenn der Grundsatzbeschluss zum Stadtbahnausbau gefallen ist. Demzufolge sind hier auch noch keine Aussagen zu Förder- und Eigenanteil möglich.

Wie geht es weiter?
Das Konzept wird am Montag, 16. Januar, ab 18 Uhr in der Stadthalle vorgestellt. Die Referenten beantworten auch Fragen aus dem Publikum, bevor dann sechs Themeninseln zu Gespräch und Diskussion einladen: Das historische Straßenbahnnetz Braunschweigs und Beispiele aus anderen Städten; Erklärung des Bewertungsverfahrens; Das Netz 2030. Eigene Visionen und Gestaltungslinien werden vom Netzwerk Mobilität und Verkehr in Braunschweig (MoVeBS) vorgestellt. Der Arbeitsausschuss Innenstadt (AAI) stellt seine Standpunkte zum Stadtbahnausbau dar.

Anregungen und Anmerkungen können schließlich von allen Bürgerinnen und Bürgern auf Meldekarten hinterlassen werden. Alle Meldungen werden in wenigen Wochen auf der Internetseite von „Stadt.Bahn.Plus“ veröffentlicht, auf der sich ab sofort auch alle Informationen zum Ausbaukonzept finden: www.stadt-bahn-plus.de

Der Rat der Stadt Braunschweig soll in seiner Sitzung am 21. Februar 2017 grundsätzlich entscheiden, ob das Stadtbahnausbaukonzept verwirklicht werden soll. Gibt der Rat grünes Licht, wird als nächster Schritt eine Bürgerbeteiligung zur Erarbeitung der Vorzugsvarianten vorbereitet. Nach weiteren Zwischenschritten könnte im Herbst 2018 ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet, der Antrag auf Förderung gestellt und in 2020 mit der Realisierung des ersten Projekts (Volkmarode Nord) begonnen werden.

Zur Methodik: Standardisierte Bewertung
Grundlage für die Berechnungen der Wirtschaftlichkeit und damit Voraussetzung für die Förderung des Gesamtvorhabens ist die bundeseinheitliche „Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen des öffentlichen Personennahverkehrs“. Durchgeführt wurde sie von WVI Verkehrsforschung und Infrastrukturplanung. Das Verfahren dient dazu, unterschiedliche Projekte nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten, um öffentliche Fördermittel effizient zu verteilen. Dabei werden nicht nur die betriebswirtschaftlichen Effekte einer Maßnahme, sondern auch die volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen und umweltbezogenen Wirkungen berücksichtigt, zum Beispiel Reisezeitgewinne im ÖPNV, eingesparte Pkw-Fahrleistungen, eingesparte Kohlendioxid-Emissionen, vermiedene Unfallkosten und eingesparte Betriebskosten im ÖPNV. Die maßgebliche Größe ist der Kosten-Nutzen-Index (NKI). Damit Projekte gefördert werden können, muss ihr volkswirtschaftlicher Gesamtnutzen größer sein als die volkswirtschaftlichen Kosten. Das ist der Fall bei einem NKI-Wert größer als 1.

Wesentlicher Faktor der Standardisierten Bewertung ist die räumliche Entwicklung der Stadt. Dazu zählen Bevölkerungsentwicklung, und Ausweisung von neuen Wohn- und Gewerbeflächen. Auch ein erweitertes Angebot im Regionalverkehr, durch höhere Taktfrequenzen und neue Haltepunkte, wirkt sich stark auf die Nachfrage im lokalen ÖPNV aus. Betrachtungshorizont ist das Jahr 2030.

Rückblick: Der Weg zum Stadtbahnausbaukonzept
Am 19. Februar 2013 erteilte der Rat der Verwaltung den Auftrag, ein Stadtbahnausbaukonzept zu erarbeiten. Bereits am Anfang wurden die Bürgerinnen und Bürger einbezogen, die über 100 Vorschläge einreichten. Nach einer Vorbewertung mit Potentialermittlung und erster Kostenschätzung fasste der Rat am 1. April 2014 den Beschluss, neun Korridore vertiefend untersuchen zu lassen. Übrig blieben sechs Korridore, die mit Ratsauftrag vom 16. Dezember 2014 nach der Standardisierten Bewertung detailliert bewertet wurden und sich im Ergebnis als wirtschaftlich darstellen.

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