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Diesel-Fahrverbote in Stuttgart ab 2018

Deutsche Umwelthilfe begrüßt Zustimmung des Landes Baden-Württemberg zur Sprungrevision

Berlin, 04.10.2017 (BA/gm)
Rechtmäßigkeit von Diesel-Fahrverboten wird am 22. Februar 2018 letztinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig entschieden – Stuttgarter Gerichtsurteil bestätigt Rechtsauffassung der DUH, dass das Grundgesetz und das Immissionsschutzrecht die beklagte Landesregierung dazu verpflichten, gegen die zu hohen Stickstoffdioxidwerte unmittelbar vorzugehen – Die am vergangenen Montag vor dem Staatsministerium demonstrierenden Stuttgarter Bürger dürfen keinen weiteren „Dieselabgas-Winter“ erleiden, DUH fordert deshalb für Stuttgart als Sofortmaßnahme die Nachrüstung aller in die Stadt einfahrenden ÖPNV-Busse und Landes-/Kommunalfahrzeuge zur Einhaltung des Euro 6 Abgasgrenzwerts sowie Fahrverbote für Diesel mit temperaturgesteuerter Abschaltung der Abgasreinigung bei unter +10 Grad Celsius. 

Die Landesregierung Baden-Württemberg hat jetzt in der von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gewonnen Klage gegen das Land für „Saubere Luft in Stuttgart“ ebenfalls der Sprungrevision zugestimmt. Damit wird die Rechtmäßigkeit von Fahrverboten im Rahmen einer Sprungrevision vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig kurzfristig geprüft werden. Das Verwaltungsgericht Stuttgart urteilte im Juli 2017, dass ganzjährige umfassende Diesel-Fahrverbote ab Anfang 2018 in der Stuttgarter Umweltzone unausweichlich und rechtlich zulässig sind und keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstellen.

Das Grundgesetz und das Immissionsschutzrecht verpflichte die Landesregierung, gegen die zu hohen Stickstoffdioxidwerte (NO2) schnellstmöglich, das heißt zum 1.1.2018 mit Diesel-Fahrverboten vorzugehen. Der Bundesgesetzgeber habe zwar bisher nur drei Plaketten für Fahrverbote in der Umweltzone zur Verfügung gestellt, er habe damit aber keine weiteren Verkehrsverbote verhindern wollen. Das wäre auch rechtswidrig, so das Gericht, denn der Schutz des Lebens beziehungsweise der Gesundheitsschutz stehe über allem.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH kommentiert das Ergebnis: „So sehr wir für die vom Dieselabgasgift Stickstoffdioxid geschädigten Stuttgarter Bürger auf ein Anerkenntnis des Urteils und damit Diesel-Fahrverbote ab dem 1.1.2018 gehofft haben, können wir auch mit der Zustimmung der Landesregierung zur Sprungrevision leben. Es kann aber nicht sein, dass den von Dieselabgasgiften betroffenen zehntausenden Menschen im Stuttgarter Kessel ein weiterer giftiger Diesel-Winter zugemutet wird.

Wir fordern Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn gleichzeitig dazu auf, als Ausgleich für den Verzicht auf die Anerkenntnis des Urteils bereits zu Beginn des Winterhalbjahres mit Sofortmaßnahmen die NO2-Belastung zu reduzieren. Dazu gehört neben einer Adhoc-Nachrüstung aller ÖPNV-Busse und Landes-/Kommunalfahrzeuge auf Euro 6 ein Einfahrtverbot für alle Diesel mit temperaturgesteuerter Abschaltung der ordnungsgemäßen Abgasreinigung bei unter + 10 Grad Celsius.“

Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht wird letztinstanzlich und damit bundesweit bindend die rechtlichen Voraussetzungen für Diesel-Fahrverbote festlegen. Das Land Nordrhein-Westfalen stimmte am 4.11.2016 in der ebenfalls von der DUH gewonnenen Luftreinhalteklage einer Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht Leipzig zu. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte zuvor am 13.9.2016 geurteilt, dass rechtliche Grundlagen für Diesel-Fahrverbote bereits existieren. Am 22.2.2018 wird das Bundesverwaltungsgericht die Düsseldorfer Sprungrevision verhandeln. Die DUH hofft, dass bei dieser Verhandlung auch das Stuttgarter Verfahren mitentschieden wird.

Remo Klinger, der die DUH als Rechtsanwalt in diesem und in 15 anderen Verfahren zur Luftreinhaltung vertritt, sagt: „Die Zustimmung zur Sprungrevision ist sehr zu begrüßen, da eine Entscheidung zu Diesel-Fahrverboten und für saubere Luft damit beschleunigt wird und wir schnell Rechtssicherheit bekommen.“

Im November 2015 hatte die DUH wegen anhaltender Überschreitung der Grenzwerte für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2) in der Landeshauptstadt vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, eingereicht. Die britische NGO Client Earth unterstützt die Klage der DUH. Derzeit klagt die DUH in 16 Städten für saubere Luft.

Hintergrund:
Seit sieben Jahren wird der gesetzlich vorgeschriebene Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 an allen verkehrsnahen Messstationen in Stuttgart deutlich überschritten. An den Stationen Hohenheimer Straße und am Neckartor lagen die Werte im Jahre 2016 mit 78 µg/m3 bzw. 82 µg/m3 rund doppelt so hoch wie erlaubt. Hinzu kommen an der Station am Neckartor deutliche Überschreitungen des Grenzwertes für die Feinstaubkonzentration PM10. Stuttgart ist damit die schmutzigste Stadt Deutschlands, was die Belastung mit den beiden Dieselabgasgiften Feinstaub und Stickstoffdioxid angeht.

Wegen anhaltender Überschreitung der Grenzwerte der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung in Bezug auf Stickstoffdioxid (NO2) in Stuttgart hatte die DUH im November 2015 vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, eingereicht. Die DUH hatte beantragt, die verantwortlichen Behörden dazu zu verpflichten, den für die Stadt Stuttgart geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die für das Stadtgebiet Stuttgart erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m3 und des Stundengrenzwerts für NO2 von 200 µg/m3 (der nicht öfter als 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden darf) enthält. Nach Auffassung der DUH sind Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge die wichtigste Einzelmaßnahme.

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