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Alle reden vom Wetter. Wir nicht!

Mitgliederveranstaltung der GDL in der Lokhalle Göttingen

Frankfurt a. M., 26.02.2018 (BA/gm)
„Alle reden vom Wetter. Wir nicht“ titelte die ehemalige Deutsche Bundesbahn werbewirksam im Herbst 1966. Und ob Sturm, Hitze oder Schnee, die Fahrgäste kamen pünktlich ans Ziel, zwar nicht mit 300 Stundenkilometern, was aber nicht störte. Heute witzeln die Leute hingegen: „Die Bahn hat vier Feinde: Frühling, Sommer, Herbst und Winter“. Und jeder hat sofort ein Beispiel parat – vom Ausfall der Klimaanlage im Sommer bis zum Zugausfall nach der ersten Schneeflocke im Winter. 

Infrastruktur sträflich vernachlässigt
Der Fehler liegt im System. Seit Jahrzehnten wird die Infrastruktur in der Fläche sträflich vernachlässigt. „Wo früher Ausweichgleise und Abstellbahnhöfe waren, blühen heute die Disteln. Ist eine Weiche kaputt, muss der Mitarbeiter erst einmal drei Stunden anreisen, bis er überhaupt zur Weiche kommt“, so der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, vor mehr als 1 000 GDLern am 22. Februar 2018 in der Lokhalle in Göttingen. Zugverspätungen und Zugausfälle sind somit hausgemacht. Stattdessen wurde und wird viel Geld in „Leuchttürmen“ (wie Stuttgart 21) verbuddelt.

Ohne gute Infrastruktur mit Taktfahrplan keine Verkehrsverlagerung
Aktuell wird zwar – dem Steuerzahler sei Dank – in die Schieneninfrastruktur investiert. Die jahrzehntelange Vernachlässigung lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen beheben. Die GDL fordert deshalb eine Bahnreform II. DB Netz, DB Energie und DB Station & Service müssen zusammengefasst und aus der Gewinnverpflichtung herausgenommen werden. Die Infrastruktur könnte dann in einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft oder GmbH eben ohne Gewinnerzielung betrieben werden.

Dann muss ein Taktfahrplan für den gesamten Schienenverkehr aufgestellt und danach die Infrastruktur zügig ausgebaut werden. Dabei kommt es nicht auf die Höchstgeschwindigkeit an. Weselsky: „Vielmehr müssen die Züge je nach Takt jede halbe oder volle Stunde pünktlich und zuverlässig ans Ziel kommen. Das ist das, was die Fahrgäste zu Zeiten der Bundesbahn genauso wollten wie heute. Es muss wieder heißen: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Ohne gute Schienen-Infrastruktur mit Taktfahrplan kann es keine Verkehrsverlagerung auf die Schiene geben. Wir verschwenden dann weiterhin Milliarden für Staus und bekommen keine bessere Luft in den Städten.“

Mangel an Lokomotivführern
Hinzu kommt: Seit der Privatisierung 1994 hat die DB in großem Stil Personal abgebaut. Mehr als 1 200 der rund 29 000 Lokomotivführer fehlen auf deutschen Schienen. Der Arbeitsmarkt ist nach dem jahrzehntelangem Abbau und mangelnder Ausbildung bei der DB leergefegt und das Problem wird größer. Das Durchschnittsalter der Lokomotivführer im Unternehmen DB liegt bei schon fast 50 Jahren. In den kommenden Jahren gehen somit zahlreiche Lokomotivführer in den Ruhestand. Weselsky: „Dabei ist schon heute gang und gäbe, dass voll beladene Güterzüge über 24 Stunden auf Nebengleisen abgestellt werden und darauf warten, dass die Lok abgefahren kann.“ Außerdem verkündet der DB-Vorstand, dass schon in wenigen Jahren die Züge autonom fahren sollen.

„Wie soll denn ein junger Mensch heute Lokomotivführer werden, wenn die DB den Beruf in zehn Jahren abschaffen will“, so der GDL-Bundesvorsitzende. In unserem offenen Schienennetz mit dem durchmischten Verkehr wird es noch Jahrzehnte dauern, bis Züge ohne Lokomotivführer fahren. Ganz zu schweigen, von den Kosten, die dazu die Sicherung der Infrastruktur verursacht. Ein Lokmotivführer kann schließlich 500 Gäste oder 2 000 Tonne Güter transportieren. Von dieser Effizienz ist der Straßenverkehr meilenweit entfernt. Und nicht zuletzt: Weselsky: „Das DB-Management kapituliert täglich vor den Kaffeemaschinen im Bordbistro, will aber die Lokomotivführer abschaffen. Vor den Visionen müssen erst einmal die Hausaufgaben gemacht werden.“

Entgelt- und Arbeitsbedingungen müssen stimmen
Gleichzeitig suchen die Eisenbahnverkehrsunternehmen und Personaldienstleister händeringend Nachwuchs. „Langfristig wird es aber nur dann genügend Lokomotivführer und Zugbegleiter geben, wenn die Entgelt- und Arbeitsbedingungen und insbesondere die Wertschätzung stimmen“, so der GDL-Bundesvorsitzende. Die GDL hat in den vergangen zehn Jahren – seit sie eigene Tarifverträge verhandelt – den Stundenlohn bei der DB von rund 13 auf 21 Euro erhöht. Noch vor einigen Jahren gab es Privatbahnen im Osten, die ihren Lokomotivführern 1 600 Euro brutto zahlten. Solche Löhne gehören seit dem GDL-Flächentarifvertrag BuRa-ZugTV der Vergangenheit an.

Tarif- und Betriebsparteien eine Einheit
Gleichzeitig hat die GDL zahlreiche Verbesserungen bei den Arbeitszeit- und Ruhetagsregelungen erzielt. Insbesondere die Planbarkeit ist im unregelmäßigen Schichtdienst enorm wichtig. Zum einen ist dabei das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Zum anderen setzt sich die GDL dafür ein, dass Tarif- und Betriebsparteien eine Einheit bilden. „Es braucht starke Betriebsräte, damit die verbesserten Arbeits- und Ruhetagsregelungen in den Betrieben auch umgesetzt werden“, und er versichert: „Wir werden das Zugpersonal auch weiter ‚stark, unbestechlich, erfolgreich vertreten.“

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