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Bahn frei für Verkehrsverlagerung auf die Schiene

Bundestag beschließt Trassenpreissenkung für Güterbahnen

Berlin, 06.07.2018 (BA/gm)
Güter umweltfreundlich mit der Schiene zu transportieren, soll im Vergleich zur Straße günstiger werden. Mit dem soeben vom Deutschen Bundestag beschlossenen Bundeshaushalt können die sogenannten Trassenpreise noch in diesem Jahr deutlich sinken. Im weit fortgeschrittenen Jahr 2018 stehen nun 175 Millionen Euro zur Verfügung. Für die auf zunächst fünf Jahre angelegte Maßnahme will das Bundeskabinett am heutigen Freitag mit dem Haushaltsentwurf für 2019 die jährlich vorgesehene Rate von 350 Millionen Euro beschließen. 

Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V. bezeichnete den Beschluss „als starkes Bekenntnis zur Schiene“ und dankte auch der Opposition für die geschlossene Unterstützung dieses Vorhabens. Bahnunternehmen und die verladende Wirtschaft müssten nach einigen Monaten bangen Wartens auf den Beschluss nun gemeinsam für Zuwachs auf der Schiene sorgen.

Bevor erste Mittel ausgezahlt werden können, muss allerdings die Bundesregierung noch zwei wichtige Schritte gehen. Von der EU-Kommission muss sie eine wettbewerbliche Unbedenklichkeitsbescheinigung („Notifizierung“) einholen und die beabsichtigte Förderrichtlinie muss veröffentlicht werden. Kerkeling erwartet „eine schnelle und positive Antwort aus Brüssel, denn Deutschland korrigiert nun ein Stück weit seine bisherige Ausnahmepolitik unter Europas Regierungen.“ Anders als in den meisten anderen Staaten hatte Berlin stets per Gesetz vorgeschrieben, dass der aufwändige Betrieb des Eisenbahnnetzes mit seinem hohen Sicherheitsniveau komplett von den Eisenbahnverkehrsunternehmen durch Trassenentgelte erfolgen muss. Dies hatte im Vergleich zur Straße für einen relevanten Kostennachteil gesorgt.

Kerkeling: „Dem Schienenverkehr hatte man die reine Lehre verordnet. Während seit 1994 auf 100 Prozent des knapp 38.000 Kilometer langen Schienennetzes Trassenentgelte entrichtet werden müssen, werden auch ein Vierteljahrhundert später nur 6,3 Prozent des 830.000 Kilometer langen Straßennetzes für Lkw bemautet.“ Und dies, so Kerkeling, „auch erst, seit vergangene Woche die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgedehnt wurde. Zuvor lag der Wert nur bei 1,6 Prozent.“ Dagegen stiegen die vom Betreiber DB Netz AG von allen Streckennutzern erhobenen Trassenpreise mit schöner Regelmäßigkeit um durchschnittlich 2,4 Prozent pro Jahr, zuletzt um 2,8 Prozent. Die Erlöse steigerten den Beitrag der als „natürliches Monopol“ betriebenen Eisenbahninfrastruktur zum Gesamtgewinn des bundeseigenen DB-Konzerns auf zuletzt knapp 46 Prozent. Die intermodale Schere ging auch deswegen immer weiter auf. Der „Allianz pro Schiene“ zufolge stieg die durchschnittliche Maut auf der Schiene von 2010 bis 2017 um 18 Prozent, während die Lkw-Maut pro Kilometer um 20 Prozent sank.

Die 2017 vom ehemaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt erstmals als Regierungsziel verkündete Trassenpreissenkung im Schienengüterverkehr sieht Kerkeling denn auch als Notoperation, um der Schiene mehr Kraft zur Verkehrsverlagerung zu geben: „Wir brauchen daneben grundlegende Reformen: für Straßen gibt die öffentliche Hand viele Milliarden mehr aus als sie einnimmt (s.u.), der Neubauetat für die Schiene ist viel zu gering.“

Kerkeling wies darauf hin, dass die Verlader von Gütern über die Wahl des Verkehrsmittels entschieden: „Dort stehen klar die Kosten im Vordergrund, aber auch bei Qualität und Logistikfähigkeit wird verglichen.“ Die Güterbahnunternehmen hätten im scharfen Wettbewerb steigende Trassenpreise, einseitig wachsende Energieabgaben sowie höhere Personalkosten und erheblichen Zusatzaufwand durch Qualitätsmängel in der Infrastruktur der vergangenen Jahre nicht durch höhere Preise kompensieren können. Zuletzt wurden deswegen negative (DB Cargo) oder nur sehr geringe Renditen (Wettbewerbsbahnen) erzielt. Hierdurch litt die Fähigkeit der Unternehmen, in die Zukunft einer wettbewerbsfähigeren Schiene zu investieren.

Die Trassenpreissenkung eröffnet dafür nun neuen Spielraum. Kerkeling: „Weil auch die Verlader ein Interesse an einem vielfältigen und leistungsfähigen stabilen Eisenbahnmarkt haben, setzen wir als Branchenverband darauf, die Trassenpreissenkung zugleich in Modernisierungsinvestitionen (insbesondere die Digitalisierung von Prozessen und der Fahrzeugtechnik), Preissenkungen für die Kunden sowie Kostenpuffer für Personalkosten und infrastrukturbedingte Qualitätsmängel zu lenken. Wo der Schwerpunkt gesetzt wird, muss jedes Unternehmen selbst entscheiden. Dabei gilt: weder strohfeuerartige umfangreiche Transportpreisabschläge noch die Politur des Unternehmensergebnisses würden der Intention der Politik gerecht und der Schiene insgesamt nutzen.“

Auch einige weitere Schlachten müssen nach Kerkelings Worten noch geschlagen werden, so Kerkeling. Die Eisenbahnbranche hatte sich für eine umfassende Trassenpreishalbierung eingesetzt – für den Personenfern- und -nahverkehr hat die Politik aber noch nichts unternommen. Auch in anderen Staaten müsse sich die Bundesregierung für eine Orientierung am deutschen Vorbild einsetzen – in den Niederlanden und Frankreich bewege sich diesbezüglich bereits etwas, in der Schweiz zum Beispiel noch nicht. Das Volumen des Bundes reicht im besten Fall für 46 Prozent Senkung statt der angestrebten Halbierung. Für Unsicherheit im mittleren zweistelligen Millionenbereich sorgen zudem Klagen der DB Netz AG gegen die Festsetzung der zugrundeliegenden Trassenpreise durch die Bundesnetzagentur. In den kommenden Jahren müssten die Regierungsfraktionen darauf achten, dass zur Finanzierung der Trassenpreissenkung nicht an anderer Stelle der Schienenetat gekürzt werde. Die Bundesländer sollten zusammen mit dem Bund eine Ausdehnung auf die nicht zur DB gehörenden Strecken angehen, denn dort werde oft in letzter Konsequenz über „Schiene oder Straße“ entschieden. Wegen niedrigerer Nutzungsintensität seien die Trassenpreise auf solchen Strecken oft höher und damit ursächlich dafür, dass Verkehre weiter auf der Straße blieben.

Die Abschätzung von staatlichen Ausgaben und Einnahmen im Verkehrssektor hat Prof. Dr. Christian Böttger (HTW Berlin) in einer explorativen Studie 2017 dargestellt – die Ergebnisse finden Sie hier.

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