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Grundlegende Wende der Verkehrspolitik

Frankfurt a. M., 15.05.2019 (BA/gm)
Die GDL tritt für eine grundlegende Wende der Verkehrspolitik ein. „Nur wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern Straße und Schiene geschaffen werden, ist der Verkehrsinfarkt zu vermeiden.“ Das erklärte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Claus Weselsky am gestrigen Dienstag als Sachverständiger im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Die GDL fordert den Gesetzgeber daher auf, die strukturellen Benachteiligungen der Bahn aufzuheben. „Der milliardenschwere volkswirtschaftliche Schaden durch den Verkehrsstau kann nur durch eine konsequente Verkehrsverlagerung auf die Schiene beseitigt werden. Das Gleiche gilt für die Umweltverschmutzung. Unsere Klimaschutzziele 2030 werden wir ohne den konsequenten Ausbau des Schienenverkehrs nicht erreichen“, so der GDL-Bundesvorsitzende. 

Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht
Laut Koalitionsvertrag sollen der Schienenverkehr zwar ausgebaut, die Fahrgastzahlen im Schienenverkehr bis 2030 verdoppelt und der Marktanteil des Schienengüterverkehrs erhöht werden. Die GDL begrüßt diese Ziele, weist aber ausdrücklich darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen dazu nicht reichen, denn das Schienennetz wurde jahrzehntelang sträflich vernachlässigt, in die Straße wurde viel mehr investiert. Weselsky: „Mit der Privatisierung 1994 sollte eine schlanke Börsenbahn entstehen. Deshalb haben die ‚Nichteisenbahner‘ der Deutschen Bahn (DB) gemeinsam mit den ‚McKinseys‘ jahrzehntelang gnadenlos den Rotstift angesetzt.“ Es wurden mehr als 1.500 Bahnhöfe und die zugehörigen Gleise abgebaut, jede zweite Weiche eingespart. Das DB-Netz ist seit 1994 um rund 7.000 auf 33.400 Kilometer geschrumpft. Hinzu kommt ein milliardenschwerer Sanierungsbedarf der maroden Brücken, Gleise und Züge. Durch die mangelnde Infrastruktur sind Systemvorteile der Schiene verlorengegangen.

1.200 DB-Lokomotivführer zu wenig
Hinzu kommt der gravierende Personalmangel. Bei der DB wurde das Personal in Deutschland auf 200.000 fast halbiert. Nun fehlen allein 1.200 Lokomotivführer, die 11.000, die in den kommenden zehn Jahren in Ruhestand gehen, noch nicht eingerechnet. In den ersten drei Quartalen 2018 kamen fast 3.000 Transporte von DB Cargo nicht zustande, weil Lokomotivführer fehlten und nur noch jeder vierte Fernverkehrszug ist pünktlich.

Qualifiziertes Personal einstellen
Die GDL fordert deshalb, dass konsequent qualifiziertes Personal eingestellt wird. Sie unterstützt die Bahnen auch dabei. Einen wichtigen Schritt hat die GDL mit dem Tarifabschluss „Mehr Plan, mehr Leben“ geleistet. Weselsky: „Nur wenn die Entgelt- und Arbeitsbedingungen stimmen, ist das Personalproblem zu lösen.“ Außerdem muss die Behauptung: Die Züge fahren autonom revidiert werden. „Wir brauchen zwar Digitalisierung zur Unterstützung der Lokomotivführer. Man muss sich aber einmal überlegen, wie viele Milliarden notwendig sind, um den einen Lokomotivführer wegzurationalisieren, der viele hundert Fahrgäste oder tausende Tonnen Güter transportiert. Experten wissen auch, dass autonomes Fahren auf dem offenen Schienennetz mit Nah-, Fern-, Güterverkehr und S-Bahn noch lange nicht machbar ist. Die These verhindert jedoch, dass junge Menschen Lokomotivführer werden wollen“, erklärte der Bundesvorsitzende.

Mit dem „Deutschlandtakt“ pünktlich ans Ziel
Die GDL fordert, die Systemfehler beim Netzausbau mit milliardenschweren Investitionen schnellstens zu beseitigen. Weselsky: „Ein Neu- und Ausbau des Europäisches Zugbeeinflussungssystems ETCS ohne autonomes Fahren zur Kapazitätssteigerung im offenen Netz ist allerdings völlig ausreichend, um das System von 1950 erst einmal ins Jahr 2020 zu bringen. Das Versenken von Milliarden in Leuchtturmprojekte wie Stuttgart 21 sollte ebenfalls der Vergangenheit angehören. Vielmehr muss das Schienennetz für den Güter- und den Personenverkehr konsequent nach einem kapazitätsorientierten ‚Deutschlandtakt‘ ausgebaut werden. Es ist witzlos, mit 300 Stundenkilometern über die Gleise zu sausen und dann eine Stunde auf den Anschlusszug zu warten. Der Fahrgast will bei jedem Wetter sicher und pünktlich ans Ziel. Mit der nach einem Taktfahrplan ausgebauten Infrastruktur klappt das in der Schweiz schon lange.“

Infrastruktur zusammenfassen
Damit das auch in Deutschland funktioniert, verlangt die GDL eine Bahnreform II. Dazu müssen zunächst DB Netz, DB Energie und DB Station & Service zu einer gemeinnützigen Gesellschaft zusammengefasst werden. Weselsky: „Dann braucht es Eisenbahner, die das komplexe Eisenbahnsystem wirklich durchdringen, damit der ‚Deutschlandtakt‘ mit gewaltigen Investitionen in der Fläche umgesetzt werden kann. Der Takt Hamburg-Berlin ist ja gut und schön. Wir müssten aber schon viel weiter sein.“

Jetzt die Weichen für eine Verkehrswende stellen
GDL-Bundesvorsitzender: „Jetzt müssen die Weichen für eine Verkehrswende richtig gestellt werden: Zum einen benötigen wir weniger Berater, dafür aber mehr Eisenbahnsachverstand im Unternehmen. Zum anderen muss der Eigentümer Bund klare Zielvorgaben an das Management des Konzerns stellen und de facto eine Verkehrsverlagerung auf die Bahn betreiben, nicht nur in Sonntagsreden.“

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