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Comeback der Schiene – zehn Vorschläge

Wo sich deutschlandweit die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken besonders lohnt

Berlin, 24.11.2019 (BA/gm)
Die Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) haben zehn Strecken in ganz Deutschland vorgestellt, die sich besonders für die Reaktivierung stillgelegter Eisenbahnverbindungen eignen. „Unsere bundesweiten Vorschläge erstrecken sich von der Ostsee bis zu den Alpen. Mit diesen neuen, alten Eisenbahnverbindungen kann Deutschland beim Klimaschutz rasch vorankommen“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, in Berlin. VDV-Geschäftsführer Dr. Martin Henke betonte: „Mit unseren Vorschlägen bekommt die Verkehrspolitik die Blaupause, um mit der Streckenreaktivierung zügig zu beginnen. Wir zeigen damit, wie der Schienenverkehr nicht nur in Ballungsräumen, sondern auch in ländlichen Regionen schnell gestärkt werden kann. Für die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung beschlossene Verdopplung der Fahrgastzahlen im Eisenbahnverkehr ist die Wiederbelebung solcher Strecken ein wichtiger Schritt.“ 

Dirk Flege fügte hinzu: „Die meisten stillgelegten Strecken waren früher im Eigentum des Bundes und sind es zum großen Teil immer noch. Schon deswegen steht der Bund in der Pflicht, sich auch finanziell für die Reaktivierung zu engagieren. Die angekündigte Aufstockung der Bundesgelder für Nahverkehrsprojekte geht in die richtige Richtung, allerdings nicht weit genug. Reaktivierungen von Strecken für den Güterverkehr stehen nach wie vor ohne Finanzierung dar.“

Allianz pro Schiene und der VDV haben im Mai 2019 eine gemeinsame Initiative für mehr Reaktivierungen gestartet. Inzwischen hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer seine Unterstützung erklärt und schlägt in einem Eckpunktepapier vor, auch die Reaktivierung von Eisenbahnstrecken künftig aus den deutlich erhöhten Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) zu fördern. Die gemeinsame Liste von Allianz pro Schiene und VDV enthält Projekte in ganz Deutschland, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die zehn Strecken sind als Beispiele für Reaktivierungen zu verstehen, die sich durch eine hohe Dringlichkeit und sehr gute Voraussetzungen für eine rasche Realisierung auszeichnen.

Die Vorschläge von Nord nach Süd im Überblick:

Schleswig-Holstein: Kiel-Oppendorf – Schönberger Strand
Ein Comeback der alten Linie „Hein Schönberg“ von Kiel-Oppendorf nach Schönberger Strand kann das Umland wieder besser an die Landeshauptstadt Kiel anbinden. Den Nutzen hätten sowohl Pendler als auch Touristen bei Ausflügen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat sich bereits zu dem Projekt bekannt.

Mecklenburg-Vorpommern: Barth – Zingst – Prerow
Mit einer reaktivierten Darßbahn wird der Ostseetourismus klimafreundlicher. Die Strecke Barth-Zingst-Prerow wurde nicht mangels Nachfrage stillgelegt, sondern um Reparationen an die UdSSR zu leisten. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung wartet die Region noch auf einen Schienenanschluss. Die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst gehört zu den wenigen bedeutenden Urlaubsgebieten, die nicht per Bahn erreichbar sind.

Brandenburg-Berlin: Basdorf/Abzweig Schönwalde – Berlin Gesundbrunnen
Auch im Norden Berlins warten die Menschen seit der Wiedervereinigung auf die Wiederinbetriebnahme einer alten Verbindung. Die Strecke von Basdorf bis Berlin-Gesundbrunnen wurde durch den Mauerbau 1961 unterbrochen. In den 30 Jahren seit dem Mauerfall ist es nicht gelungen, die nur einen Kilometer lange Lücke im Schienennetz zu schließen. Dabei ist der Bedarf immens, wie die Pendlerströme und der intensive Ausflugsverkehr zeigen.

Niedersachsen: Neuenhaus – Coevorden (Niederlande)
Auch auf der Schiene muss Europa zusammenwachsen. Auf der Strecke von Bad Bentheim nach Neuenhaus in Niedersachsen sind seit Juli erstmals nach 45 Jahren wieder Züge im Personenverkehr unterwegs. Ein Riesenerfolg mit Fahrgastzahlen, die bereits jetzt alle Erwartungen übertreffen. Die Erfolgsgeschichte muss mit der Reaktivierung der Strecke bis nach Coevorden in den benachbarten Niederlanden fortgeschrieben werden. Dies würde auch die Verbindung zur niederländischen Großstadt Emmen schaffen.

Nordrhein-Westfalen: Münster – Sendenhorst
In der boomenden Region rund um Münster wächst die Verkehrsnachfrage stark. Deshalb ist es wichtig, dass bald wieder Züge Fahrgäste von Münster nach Sendenhorst bringen. Das Reaktivierungskonzept liegt vor. Es verknüpft Bahn, Bus, Rad und Pkw (Park & Ride). Die Chance, die Region vom Massenverkehr auf der Straße zu entlasten.

Hessen: Lollar – Londorf
Als Lumdatalbahn kennen die Menschen im Landkreis Gießen die Schienenstrecke zwischen Lollar und Grünberg entlang des Flüsschens Lumda. Seit langem setzen sich Bürger im Verein Lumdatalbahn dafür ein, die Strecke zwischen Lollar und Londorf zu reaktivieren. Davon erhoffen sie sich eine deutlich kürzere Fahrzeit und schnellere Umsteigeverbindungen zum Beispiel nach Frankfurt, Marburg und Wetzlar.

Baden-Württemberg: Breisach – Colmar (Frankreich)
Als eine der Reaktivierungs-Strecken mit dem größten Potential stufte die EU-Kommission die Verbindung von Breisach über die deutsch-französische Grenze nach Colmar ein. Die Brücke über den Rhein wurde 1945 gesprengt. Die Straßenbrücke wurde schon kurz nach dem Krieg wiederaufgebaut, die Bahnbrücke bis heute nicht. Ein Anachronismus im zusammenwachsenden Europa. Die benachbarten Regionen Freiburg und Colmar brauchen diese Schienenverbindung.

Baden-Württemberg: Calw – Weil der Stadt
Eine Reaktivierung der Strecke von Calw nach Weil der Stadt heißt für die Region: Wieder-anbindung des öffentlichen Schienennahverkehrs an die Metropolenregion Stuttgart. Durch die Nutzung drohten Konflikte mit dem Naturschutz, weil ein Tunnel Fledermäusen als Heimat dient. Doch ist es auf vorbildliche Art und Weise gelungen, den Konflikt zu lösen und Schienenausbau und Naturschutz unter einen Hut zu bringen.

Thüringen – Bayern: Blankenstein – Marxgrün
Wenn die nur sechs Kilometer lange Lücke zwischen Blankenstein in Thüringen und dem bayerischen Marxgrün geschlossen wird, würde – endlich – eine Folge der deutsch-deutschen Teilung beseitigt. Die Region bekäme mit dem Comeback der Höllentalbahn eine massive Entlastung vom Lkw-Verkehr. Eine große Papierfabrik in Blankenstein hat wiederholt ihr Interesse an der Reaktivierung angemeldet.

Bayern: Gunzenhausen – Wassertrüdingen – Nördlingen
Für den Gütertransport fahren noch Züge auf dieser Strecke. Doch auch für den Personenverkehr hat sie viel Potential. Der Freistaat Bayern unterstützt das Vorhaben zumindest für den Abschnitt Gunzenhausen – Wassertrüdingen. Die Landesregierung hat es als Beispiel für eine Reaktivierung im ländlichen Raum für die Planungen des Deutschland-Taktes angemeldet.

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