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Studie empfiehlt Maßnahmen für Nahverkehr in Baden-Württemberg

Studie beschreibt Maßnahmen zur Verdopplung des Nahverkehrs-Angebotes in Baden-Württemberg bis 2030 • Ausbau- und Modernisierungsziele treffen auf Sanierungsstau

Köln, 05.03.2020 (BA/gm)
Die baden-württembergischen Verkehrsunternehmen stellten am vergangenen Dienstag Verkehrsminister Winfried Hermann eine Studie vor, mit welchen konkreten Maßnahmen die ehrgeizigen Verkehrsziele der Landesregierung erreicht werden können. Dr. Alexander Pischon, Vorsitzender der VDV-Landesgruppe Baden-Württemberg: „Vor uns liegt ein Kraftakt: Wir wollen in einer Situation des Sanierungsstaus die Infrastruktur und das Angebot bei Bus und Bahn erheblich ausbauen. Dabei müssen wir zunächst das Bestehende grunderneuern, barrierefrei gestalten sowie modernisieren und elektrifizieren. Hierfür allein veranschlagen wir für die nächsten zehn Jahre zusätzliche Kosten von rund 690 Millionen Euro jährlich. Parallel dazu erfolgt der Ausbau. Wir stellen uns der Herausforderung und sind zuversichtlich, dass wir die Ziele gemeinsam mit dem Verkehrsministerium erreichen.“ Der VDV ist der Überzeugung, dass der Umfang der bereits vorgesehenen finanziellen Mittel dazu nicht ausreichen wird. 

Verkehrsminister Hermann: „Um die für das Jahr 2030 gesetzten Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, muss unter anderem die Nutzung des öffentlichen Verkehrs in Baden-Württemberg verdoppelt werden. Ein Drittel weniger Autoverkehr in den Städten, mehr E-Fahrzeuge und klimafreundlicher Transport sind weitere Ziele. Und jeder zweite Weg muss zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Für den öffentlichen Verkehr werden wir unsere Ausbaustrategie weiter entwickeln. Er muss stabiler und deutlich leistungsfähiger werden mit besseren Takten und immer besserem Service.“

Aus dieser Zielstellung heraus ergeben sich für die Verkehrsunternehmen konkrete Herausforderungen. Die Studie aus der Feder des Verkehrswissenschaftlichen Institutes Stuttgart leitet aus den politischen Zielen des Landes – im Abgleich mit der aktuellen Nahverkehrssituation – zunächst die Maßnahmen ab, die für eine Grunderneuerung der bestehenden Systeme bei Bus und Bahn notwendig sind und bewertet diese finanziell. Hermann: „Die Zielsetzung ist ambitioniert. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen und die Anforderungen aus der Gesellschaft für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs besser denn je. Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass das ÖPNV-Angebot verbessert und dafür mehr öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Das Land hat seine Mittel verdoppelt, der Bund verdreifacht und will die Investitionen bis 2026 sogar versechsfachen.“ Die Nahverkehrsbranche im Land gibt rund drei Milliarden jährlich für den Betrieb sowie Investitionen in Fahrzeuge und Infrastruktur aus. Diese Ausgaben werden etwa je zur Hälfte durch Fahrgelderlöse und öffentliche Zuschüsse finanziert.

Die Autoren ergänzen ihre Berechnungen im zweiten Schritt mit den erforderlichen Ausbaumaßnahmen in der Stadt und auf dem Land und gleichen die notwendigen Kosten mit den bereits bereitgestellten Budgets aus Bund und Land ab. Pischon resümiert: „Für den Angebotsausbau bei der Bahn, im städtischen Nahverkehr und im regionalen Busverkehr werden wir, abzüglich der Fahrgeldeinnahmen, Gelder für zusätzliche Fahrzeuge und steigende Betriebskosten in Höhe von rund 470 Millionen Euro jährlich benötigen.“ Für den erforderlichen Infrastrukturausbau zur Verdoppelung des ÖPNV-Angebots bis 2030 geht die Studie von weiteren 500 Millionen Euro jährlich aus.

In der Studie betrachtet und teilweise bereits umgesetzt wurden auch Fahrpreis-Maßnahmen von rund 350 Millionen Euro: Es sollen neben den Zuschüssen beim bwtarif für das ganze Land und der Fahrpreis-Reform im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart auch die Jobtickets landesseitig stark unterstützt werden. Zudem thematisieren die Autoren die Engpässe beim Bau-, Fahr- und Planungspersonal. Das vorgeschlagene Paket hat ein Gesamtvolumen von rund zwei Milliarden Euro jährlich.

Die Finanzierung ist aus Sicht der Verkehrsunternehmen zumindest teilweise offen. Wichtige Finanzierungs-instrumente wie die Regionalisierungsmittel für Baden-Württemberg, die Gemeindeverkehrsfinanzierung des Bundes und des Landes oder die Mittel für die ÖPNV-Finanzierungsreform in Baden-Württemberg werden deutlich aufgestockt. Allerdings zeigt die Studie, dass für die Verdoppelung des ÖPNV-Angebots und die Erfüllung weiterer – auch gesetzlich vorgeschriebener Vorgaben – ein deutlich höherer Einsatz finanzieller Mittel für den Nahverkehr erforderlich ist. „Nur etwa die Hälfte der zwei Milliarden Euro ist durch die aufgestockten Finanzierungsinstrumente gedeckt. Es geht jedoch nicht nur darum, genügend finanzielle Mittel zu haben, sondern auch die erforderlichen personellen Kapazitäten in den Verkehrsunternehmen, in der Verwaltung und in der Baubranche“, so Pischon.

„Kommunen brauchen perspektivisch eine eigene ergänzende Finanzgrundlage für den Ausbau des ÖPNV. Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, dies verlässlich für ihre Situation passend umzusetzen und untersuchen dafür aktuell mehrere Instrumente in verschiedenen Regionen“, so der baden-württembergische Verkehrsminister.

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