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Elektrobus im Märkischen Kreis zurzeit keine Option

Lüdenscheid, 11.03.2020 (BA/gm)
Über das Thema „Elektromobilität“ und seine möglichen Konsequenzen informierte sich der Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Struktur und Verkehr des Märkischen Kreises.

Um CO2-Emmissionen zu reduzieren und die Klimaschutzziele zu erreichen, will die Bundesregierung die E-Mobilität in Deutschland durch Förderprogramme vorantreiben. Im Vergleich zu 1990 sollen sich die Emissionen im Verkehr bis 2030 um 40 bis 42 Prozent verringern. Um den möglichen Einsatz von emissionsarmen Bussen bei der Märkischen Verkehrsgesellschaft (MVG) zu diskutieren, holten sich die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaftsförderung, Struktur und Verkehr Experten ins Lüdenscheider Kreishaus. 

„Mobilitätskonzepte für den Einsatz von Elektro- oder Hybridbussen gibt es derzeit nur für Städte und Ballungsräume“, sagte Referent und Diplom-Ingenieur Tammo Voigt, zuständig für Elektromobilität bei Mercedes Benz. Bei der Konzeption müsse man sehr individuell auf die regionalen Gegebenheiten eingehen. Elektrisch betriebene Busse haben nach dem aktuellen Stand der Technik eine Reichweite von 150 bis 250 Kilometern. Das Aufladen dauert bis zu fünf Stunden. Das könne in einem Flächenkreis wie dem Märkischen Kreis schnell zum Problem werden, merkten die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaftsförderung, Struktur und Verkehr an.

Im Vergleich zum E-Bus kommt ein Dieselfahrzeug auf 500 bis 600 Kilometer Reichweite und das Auftanken dauert nur 10 Minuten. Um den bestehenden Taktfahrplan mit E-Bussen zu halten, müssten etwa 20 bis 30 Prozent mehr Fahrzeuge beschafft und zusätzliches Personal eingestellt und geschult werden, so Voigt. Eine größere Flotte von E-Bussen benötige eine vollkommen neue Energieversorgung und eine Anpassung aller Prozesse auf dem Betriebshof. Elektrobusse sind in der Anschaffung deutlich teurer als Dieselfahrzeuge. Eine Alternative sind Hybridbusse mit Brennstoffzellen, die auf eine Reichweite von 350 Kilometern kommen. Brennstoffzellen-Busse fahren dabei rein elektrisch: In der Brennstoffzelle reagieren Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) unter der Abgabe von elektrischer Energie zu Wasser (H2O). Der so generierte Strom kann in einer Hochvolt-Batterie gespeichert werden oder direkt die Elektromotoren antreiben. Bisher fehlt es im Märkischen Kreis allerdings an der notwendigen Infrastruktur.

Für die Koordinierung der Fahrzeuge-, Lade- und Netzinfrastruktur wären nach Meinung des Experten auch ein neues Betriebshofmanagement und mehr geschultes Personal notwendig. Aufgrund der Nachteile in Bezug auf Platzbedarf und Gewicht sieht Voigt den Hybridantrieb als eine Brückentechnologie bis zur weiteren Entwicklung von Batterie- oder Brennstoffzellenbussen an. Die Ausschussmitglieder waren sich einig, dass sie die technischen Entwicklungen und Erfahrungen weiter beobachten wollen. Der Einstieg in die neue Technologie sei aber zu diesem Zeitpunkt keine Option. Sie stecke noch in den Kinderschuhen. Die Investitionskosten seien hoch und ein wirtschaftlicher Betrieb in einem Flächenkreis mehr als fraglich.

An der Netzinfrastruktur werde der Ausbau der E-Mobilität im Märkischen Kreis nicht scheitern waren sich Ronald Ludwig, Leiter des Kommunalmanagements der ENERVIE Gruppe und Andreas Steffen, Leiter des Regulierungs- und Assetmanagement bei ENERVIE-Vernetzt, sicher. Man werde die aktuellen Trends beobachten und die Netzkapazitäten zur gegeben Zeit entsprechend erweitern. Ziel der Bundesregierung sei es, dass bis 2030 rund 7 bis 10 Millionen E-Fahrzeuge in Deutschland unterwegs sein sollen. Im Netzgebiet von ENERVIE wären das rund 40.000 Fahrzeuge. Stand 2019 sind es rund 1.000.

Eine Studie zu den möglichen Auswirkungen der Elektromobilität auf die Automobilzulieferindustrie in Südwestfalen stellte Professor Andreas Nevoigt von der Fachhochschule Südwestfalen vor. Nach Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- u. Berufsforschung muss die Automobilindustrie in Deutschland mit einem Wegfall von zehn Prozent der Arbeitsplätze rechnen. Jochen Schröder, Geschäftsführer der Gesellschaft für Struktur und Wirtschaftsförderung, machte deutlich, dass der Märkische Kreis mit seinen rund 200 Unternehmen in der Automobilzuliefererindustrie von dem Strukturwandel stark betroffen sein werde. Kurzfristig erwartet er eher geringe Auswirkungen, da der „Verbrenner“ noch nicht verschwindet. Langfristig zeichnet sich eine Veränderung in der Mitarbeiterstruktur ab: Insbesondere Geringqualifizierte werden vom Arbeitsplatzabbau betroffen sein. Gefragt sein werden mehr Mitarbeiter mit Prozessverständnis, elektronischen und digitalen Kompetenzen. Künftig werden sich hiesige Unternehmen unter anderem neue Anwendungsfelder bei Elektro- und Hybridfahrzeugen erschließen. Dabei wollen die GWS und Fachhochschule Südwestfalen die Branche unterstützen.

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