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Neue Ziele, aber kein Weg – Klimapolitische Verhaltensstarre im Güterverkehr

Klima-Expertenrat korrigiert Lkw-Emissionsdaten der Umweltministerin nach oben

Berlin, 21.06.2021 (BA/gm)
Der Bundestags-Umweltausschuss hört am heutigen Montag Sachverständige zum Klimaschutzgesetz an. Am kommenden Mittwoch soll das Kabinett ein Klimaschutz-Sofortprogramm beschließen. In der letzten Plenarwoche der Legislaturperiode will die Regierungskoalition damit Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfüllen. Beim Straßengüterverkehr sind beide Regierungsvorhaben einsilbig, obwohl er ein Drittel aller verkehrsbedingten Emissionen verursacht. Eine stärkere Rolle der Schiene ist nicht erkennbar.

Den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sehen die Güterbahnen nun als Testfall. Für sie ist er eines der Haupthemmnisse für den Klimaschutz. Denn seit Jahrzehnten fördert massiver Straßenausbau den Lkw und behindert die Stagnation beim Schienennetzausbau die Verkehrsverlagerung. 

Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE), sagte dazu: „Wir wollen in dieser Woche erfahren, welche Partei die Umsetzung des 2016 von der Regierung beschlossenen BVWP sofort aussetzen und endlich Schienen statt Straßen ausbauen will. Die Güterbahnen stehen bereit, um endlich ihr Potenzial für mehr Klimaschutz im Verkehr auszuschöpfen.“

Im Sofortprogramm-Entwurf taucht eine BVWP-Überarbeitung bisher nicht auf, der Verkehrsminister selbst will durch andere Antriebe von Lkw die Emissionen reduzieren. Die fortgeltenden Prämissen des BVWP stören dabei erheblich. Ein Blick in das Zieljahr 2030 des BVWP verrät: es sollen dann sechs Lkw hintereinander herfahren, wo es heute noch fünf sind. Ziel des Verkehrsministers: Von den sechs sollen dann zwei einen klimafreundlichen Antrieb haben. Anders gesagt: es rollten dann noch immer vier Dieselfahrzeuge – nur eines weniger als heute – mit rund 800 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer auf den Autobahnen.

Kerkeling: „Den Regierungsparteien fehlt offenbar die Kraft oder der Wille, den Menschen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Schon das vorgeplante Verkehrswachstum macht Autobahnen noch voller und Klimaschutz noch schwerer. Verkehrsverlagerung auf die Schiene, die diese Zukunft abfangen könnte, findet nur in Sonntagsreden statt. Und weder technologisch noch vor allem ökonomisch sehen wir ein plausibles Szenario, dass bis 2030 die Annahme von Bundesverkehrsminister Scheuer erreicht wird, 30 % der Straßengüterverkehrsleistung ohne Diesel zu erbringen. Die Kostendifferenz kann keine Regierung wegsubventionieren, aus Steuerzahlersicht ist das ein Fass ohne Boden.“

Vor allem der zu billige Diesel verhindert den Markterfolg sowohl neuer Antriebstechnologien als auch von Schiene und Binnenschiff. Der neugebildete Expertenrat der Regierung zitiert dafür in seinem Bericht zur Klimadebatte des Bundestages am Donnerstag eine bemerkenswerte Zahl und korrigiert damit auch eine Fehleinschätzung von Bundesumweltministerin Schulze vom März. Während diese bei der Vorstellung des jährlichen Klimaberichts noch von einem pandemiebedingten Rückgang der Lkw-Treibhausgasemissionen 2020 um 10 % ausging, waren es nach Angaben des Klimarats nur 0,7 %. Kerkeling: „Die Schiene hat 2020 gut geliefert, aber sie wurde vor allem durch besonders niedrige Dieselpreise unter Druck gesetzt und hat Marktanteile an die Straße verloren. Die Ankündigung von mehr Straßenbau, wie aktuell im Wahlprogrammentwurf der Union, und Subventionen für Lkw-Antriebe bewegen die Diskussion in die völlig falsche Richtung.“

Der Verband der Güterbahnen hat am vergangenen Freitag mit einem Schreiben an die Regierung noch einmal aktuelle Alternativen aufgezeigt. Veränderte Rahmenbedingungen durch Subventionsabbau beim Diesel, ein BVWP-Schieneninfrastruktur-Sofortprogramm und viel mehr kranbare Lkw-Trailer, die im Hauptlauf auf neuen Güterwagen transportiert werden, können kurzfristig deutliche Emissionsminderungen bewirken und die Verkehrswende im Güterverkehr einleiten.

Ludolf Kerkeling: „Unsere Vision, die durch entschlossenes politisches Handeln flankiert werden sollte, sieht die Schiene als Rückgrat einer intermodalen elektromobilen Transportkette. Den Nahbereich um Verladepunkte und Gleisanschlüsse decken batteriegetriebene Straßenfahrzeuge ab. Im Hauptlauf transportiert die Schiene mit effizienter gebauten Wagen Trailer, Container und Wechselbrücken. Reine Straßentransporte über mehr als 250 km Entfernung werden so bis 2030 zur Rarität.“

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