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Für eine Verkehrswende im Güterverkehr ist die Opposition besser aufgestellt

Güterbahnen stellen eisenbahnpolitische Bewertung der Wahlprogramme vor

Berlin, 14.07.2021 (BA/gm)
Man stelle sich vor, einen Tag vor der Bundestagswahl nascht ein Großteil der Wähler vom Baum der Erkenntnis und wählt plötzlich zu mehr als 50 % Partei x oder y. Auf einmal wäre der kompromissgeschwängerte Aushandlungsprozess eines Koalitionsvertrages überflüssig und die Chance da, sofort das eigene Wahlprogramm eins zu eins umzusetzen. Was bedeutete dies für den Güterverkehr in Deutschland?

In allen Wahlprogrammen wird der Schiene eine wichtige Rolle beigemessen, vor allem bei Union und FDP auch deutlich stärker als vor vier Jahren. Bei der nun in Berlin von den Güterbahnen vorgelegten Feinanalyse von 41 politischen Stellhebeln zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede. „FDP, Linke und Grüne steigen am tiefsten in die Materie zur Aufwertung der Schiene ein“, zieht Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen, ein erstes Fazit. 

Und weiter: „Wir haben auf strategische Maßnahmen geachtet, mit denen der Marktanteil der Schiene im Güterverkehr von derzeit 18 auf mindestens auf 25 Prozent bis 2030 gesteigert werden kann. Die Zielmarke ist zwar in keinem Programm explizit erwähnt, wird aber bekanntlich parteiübergreifend befürwortet.“ Die Güterbahnen erkennen bei keiner der Parteien ein klares Szenario, wie sie dieses Ziel selbst in einer Alleinregierung schaffen würde. Die SPD räumt wie Linke und Grüne der Schiene Priorität ein, Wähler brauchen hier jedoch einiges Vertrauen, da die Sozialdemokraten besonders unkonkret bleiben.

Westenberger: „Die FDP will sehr deutlich mit mehr Wettbewerb auf der Schiene die Attraktivität steigern, geht aber genau wie CDU und CSU den Problemen des ungleichen Wettbewerbs zwischen Straße und Schiene aus dem Weg.“

Eine erkennbare Priorisierung der Güterbahnen, die mit 0,1 Prozent nur einen Bruchteil der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen – im Unterschied zum Lkw mit rund 33 Prozent – verursachen, ist nicht Bestandteil jedes Programms. CDU/CSU und FDP klammern sich an die wenig realistische Vision eines bald verfügbaren, CO2- wie kostenneutralen Lkw-Antriebs. Westenberger: „Das ist zunächst anders bei rot-rot-grün, allerdings lässt sich vor allem bei der SPD kein klares Bekenntnis erkennen, die Steuerzahler von Kosten des klimagerechten Straßengütertransports zu verschonen.“

Die Güterbahnen halten mindestens 3 Milliarden Euro pro Jahr für notwendig, um den Bedarf an zusätzlicher Infrastruktur für die Schiene auch nur annähernd zu decken. Doch selbst dieses Minimum wird nicht von allen Parteien zugesagt. Allein Linke und Grüne würden den Infrastrukturausbau zukünftig an die Klimabilanz der Verkehrsmittel knüpfen. Westenberger: „Die Vision muss sein, dass so viel wie möglich per klimafreundlicher Schiene transportiert wird. Das erreichen wir nicht mit allgemeinen Versprechungen und Begriffen wie „Rekordinvestitionen“, wie sie die Union erneut für alle Verkehrsträger gleichzeitig im Programm proklamiert.“

Auch die Frage nach der künftigen Rolle der Deutschen Bahn wird sehr unterschiedlich gelöst. Während die Grünen ihr Bekenntnis zu einer Bahnreform im Wahlprogrammprozess unklarer formulierten als noch zur Jahreswende, will die Linke die Uhren gleich ganz zurückdrehen und das gescheiterte Staatsbahn-Modell wiederbeleben. Eine Maximierung der Leistungsfähigkeit der Schiene sehen die Güterbahnen damit nicht als realistisches Szenario. Das geht nur über eine unterschiedliche Behandlung von Infrastrukturaufgaben und Verkehrsunternehmen, wie sie nur FDP und vorsichtig die Grünen vorsehen. Westenberger: „Überraschenderweise ist die Union hier näher bei den Sozialdemokraten als bei der FDP, die sich ganz klar für eine Trennung von Netz und Betrieb ausspricht, damit DB Netz sich künftig wieder auf seine Aufgabe als Dienstleister konzentrieren kann. Diese Gemeinwohlorientierung ist auch eine der wesentlichen Forderungen der Güterbahnen.“

Westenberger abschließend: „Natürlich gibt es zurzeit keine Hinweise darauf, dass eine Alleinregierung realistisch wäre. Vielmehr hängt die künftige politische Realität im Güterverkehrsbereich maßgeblich von der Durchsetzungskraft der Parteien in den Koalitionsverhandlungen ab. Wir hoffen, dass Union und SPD noch etwas präziser werden und erwarten, dass sich die DB als 100-prozentiges Bundesunternehmen im Wahlkampf und den Koalitionsverhandlungen gegenüber der Politik ebenso zurückhält, wie es die Bundesverwaltung tut.“

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