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Güterverkehr: Die FDP hält Ihr Wahlversprechen

Keine gute Nachricht: Ein Jahr nach der Wahl ist keine Verkehrswende erkennbar

Berlin, 26.09.2022 (BA/gm)
Am Jahrestag der Bundestagswahl dürften alle, die wegen der verkehrspolitischen Ideen ihr Kreuz bei der FDP gemacht haben, zufrieden sein. Die Liberalen hatten keine Verkehrswende versprochen und den Begriff aus dem Ampel-Koalitionsvertrag rausgehalten. Weiterwachsender Güterverkehr, relativ günstiger Diesel und fehlende Anreize zur Verkehrsverlagerung drohen die Klimaschutzziele unerreichbar zu machen.

„Der Autopilot ist weiterhin aktiv, den der scheidende Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Sommer 2021 eingeschaltet hat.“, fasst der Vorstandsvorsitzende der GÜTERBAHNEN, Ludolf Kerkeling, die Güterverkehrspolitik ein Jahr nach der Abwahl der großen Koalition bündig zusammen. 

Die GÜTERBAHNEN hatten im Frühsommer 2021 einen umfangreichen Vergleich der Wahlprogramme vorgenommen. Die in den Programmen der SPD und besonders bei den GRÜNEN skizzierte neue Verkehrspolitik mit Priorität für die Schiene ist im Güterverkehr nicht erkennbar. Anders ist es bei den Freien Demokraten. Statt einer neuen Verkehrspolitik propagierten sie im Programm nur, mehr Personen und Güter auf der Schiene transportieren zu wollen. Kerkeling: „Die FDP setzt ihr Programm um, auch wenn sie in den Koalitionsverhandlungen der Aufnahme vieler weitergehender Vorhaben in den Ampel-Vertrag zustimmte.“ Von ihrem eigenen Programm abgewichen ist die FDP bisher nur mit dem Vorstoß von Finanzminister Lindner, die Trassenpreisförderung 2024 im Schienengüterverkehr einzustellen. Kerkeling: „Das würde zu weniger Schiene und mehr Straße führen.“

Die GÜTERBAHNEN beziehen den FDP-Wahlprogrammtitel „Nie gab es mehr zu tun!“ aber vor allem auf das Bundesverkehrsministerium. Der vormalige FDP-Generalsekretär und rheinland-pfälzische Verkehrsminister Dr. Volker Wissing hat sich zwar immer wieder zu den vereinbarten gemeinsamen klima- und verkehrspolitischen Zielen der Ampel bekannt und von einer Renaissance der Eisenbahn gesprochen. Nach Corona wurde auch durch den Ukraine-Krieg klar, dass viele Transporte mit dem Lkw nicht zu bewältigen sind. Kerkeling: „Die verbale Wertschätzung der Schiene freut uns. Wir trauen uns auch mehr zu. Notwendig waren und sind aber nicht Worte, sondern neue Infrastruktur und andere Prioritäten bei den Rahmenbedingungen. Und da sieht es duster aus.“

Die von den FDP-Spitzen propagierte Technologieoffenheit bei Lkw-Antrieben, das Festhalten am Steuerprivileg für Diesel und sogar dessen temporäre Ausweitung in Form des Tankrabatts und der Verzicht auf eine umfassende Lkw-Maut-Novelle gibt keine Impulse an Verlader und Transporteure, etwas an der Fixierung auf den Diesel-Lkw zu ändern. Kerkeling: „Auch Förderprogramme werden analog zur besonders unglücklich gescheiterten Gas-Lkw-Finanzierung des vormaligen Verkehrsministers das nicht ändern.“

Auch wenn die hohe Belastung von Politik und Administration durch den Krieg als zweite Großkrise nach Corona ihren Tribut fordert, erkennen DIE GÜTERBAHNEN bei der Infrastrukturplanung, der Innovationsförderung und den Rahmenbedingungen im Straße-Schiene-Vergleich eine Politik der eingeschlafenen Hand. Konkret heißt das unter anderem: weiterhin mehr Geld für den Straßenneu- und -ausbau als für neue Schienen, Passivität bei einer Verzehnfachung der Bahnstrom-Börsenpreise und die Fortsetzung der volkswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Tot-Rechnung“ von Schienenprojekten. Die Regierung agiert mit den geplanten Kürzungen bei den Schieneninvestitionen im Haushaltsentwurf 2023 ähnlich wie in der Finanzkrise vor gut einem Jahrzehnt. Kerkeling: „Hinweise auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine taugen zur Erklärung nicht. Es sind doch nicht alle im Verkehrsministerium mit dem 9-Euro-Ticket, zusätzlichen Kohletransporten und anderen indirekten Kriegsfolgen dauerbeschäftigt.“

Kerkeling begrüßte, dass der Verkehrsminister sich klar für eine gemeinwohlorientierte Schieneninfrastruktur-gesellschaft ausgesprochen, eine Beschleunigungskommission eingesetzt und die Krise bei der maroden Schieneninfrastruktur zur Chefsache erklärt hat. Kerkeling: „Für die Kunden im Güter- und Personenverkehr sind eine Kommission, ein Entwicklungsprozess für eine neue DB-Infrastruktur und eine noch nicht feingeplante Korridorsanierung in Südhessen im Sommer 2024 allerdings nicht ausreichend.“ Die Mitgliedsunternehmen der GÜTERBAHNEN haben bei der gerade zu Ende gegangenen Schienenmesse INNOTRANS von weiteren Verschlechterungen in der Infrastrukturqualität berichtet.

Das Stellwerks-Chaos am Freitag kam wie zur Bestätigung. Kerkeling: „Der Verkehrsminister muss jetzt eine Lawine der Verzweiflung bei den Eisenbahnen stoppen. Es darf keine Diskussion über das „Ob“ der Verkehrsverlagerung geben, sondern über das „Wie“ muss gesprochen werden. Die Ressourcen des Bundes müssen darauf ausgerichtet werden, die zusätzlichen Anforderungen aus der Kriegssituation in der Ukraine mit den Versprechungen der Ampel zur Entlastung der Straßen vom Lkw-Verkehr und den gesetzlichen Klimazielen zusammenzubringen. Kostensteigerungen im Transport, rezessive Tendenzen und zeitgleich zusätzliche Transportbedarfe, noch mehr Druck auf die Klimaziele, Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und autoritären Lieferanten – all das ist mit kluger Politik im Sinne unserer Klimaschutzziele bewältigbar.

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