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Logistikbranche: Slot-System für Brennerkorridor ist keine Lösung

Fehlende Schienen-Kapazitäten machen weitere Verlagerung von Güterverkehr unmöglich

Wien, 04.06.2023 (BA/gm)
Das von Bayern, Tirol und Südtirol vorgeschlagene, verpflichtende digitale Slot-Buchungs-System stelle keine Lösung für den LKW-Verkehr über den Brenner dar, sondern werde die Situation vielmehr verschärfen, warnt der Zentralverband Spedition & Logistik als freiwillige und verkehrsmittelneutrale Vertretung der österreichischen Logistik-Branche. Folgen wären vermehrte Staus und das Risiko zusätzlicher, anstatt geringerer Emissionen. Bestätigt sieht man sich durch die ebenfalls kritische Haltung der EU-Kommission und deren Warnung vor einer Einschränkung des freien Warenverkehrs. Eine weitere Verlagerung von Gütern auf die Schiene sei wegen fehlender Kapazitäten auch keine Option. 

Zentralverband-Präsident Alexander Friesz: „Das im Detail noch nicht bekannte System würde nicht weniger LKW-Verkehr über den Brenner bringen, sondern mehr Staus und damit auch potenziell höhere Emissionen. Niemand kann nämlich immer genau sagen kann, wann ein LKW an der Grenze ankommen wird. Was passiert, wenn ein LKW zu früh oder zu spät kommt? Es ist ärgerlich, dass man hier Bürokratiemonster schafft, anstatt die betroffene Branche mit einzubeziehen.“ Der Vorschlag einer Verlagerung auf die Schiene wäre scheinheilig, da alle Beteiligten wissen, dass es dort derzeit viel zu wenig Kapazitäten gibt. Auch nach Inbetriebnahme des Brennerbasistunnels werden bis auf weiteres die Zulaufstrecken in Deutschland und Italien fehlen. Darüber hinaus fehlen in Italien und Deutschland adäquate Güterterminals zur Verlagerung auf die Schiene.

Gefährdung des freien Warenverkehrs und Vertragsverletzungsverfahren
Österreich und speziell Bundesministerin Leonore Gewessler müssten die Warnung von EU-Verkehrskommissarin Adina Valean vor einer Einschränkung des freien Warenverkehrs ernst nehmen. Eine derartige, unüberlegte Behinderung sei nicht hinnehmbar. Auch im EU-Parlament mehren sich bereits Stimmen, die vor einem möglichen EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich warnen. Ein solch massiver Schaden für den Standort und massive Kosten für den Steuerzahler müssten jedenfalls vermieden werden.

Gemeinsam sinnvolle und umsetzbare Lösungen finden
Eine Verbesserung der Verkehrslage würde etwa eine Aufweichung des LKW-Nachtfahrverbotes bringen. Damit könnte man den Verkehr besser verteilen, Verkehrsspitzen abflachen und damit Staus vermeiden. Friesz: „LKW fahren nicht zum Vergnügen über den Brenner. Sie dienen der europaweiten Versorgungssicherheit und sind für den Handels- und Industriestandort Österreich unabdingbar. Mit einem Modal Split von rund 30 % liegt der heimische Güterverkehr bereits jetzt europaweit auf dem hervorragenden Platz 3. Eine weitere signifikante Verlagerung, speziell über den Brenner, wäre schön, ist aber auf absehbare Zeit unrealistisch.“

Verkehrsexperten wie Prof. Sebastian Kummer von der WU Wien, das deutsche Verkehrsministerium in einer aktuellen Verkehrsabschätzung und auch der Europäische Rechnungshof weisen darauf hin, dass der Straßengüterverkehr in den kommenden Jahrzehnten weiter stark steigen wird. Es zeige sich hier eindeutig, dass bereits ein Halten des derzeitigen Schienengüteranteils eine durchaus beachtliche Herausforderung darstellt. Es gelte deshalb, die berechtigte Kritik der EU-Kommission und auch der italienischen Regierung ernst zu nehmen und unter Einbindung der betroffenen Branchen konstruktive Lösungen zu finden.

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