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GDL: Onlineumfrage „Mit Sicherheit“

Die Angst fährt mit – das Zugpersonal ist selten ohne Bedenken unterwegs

Frankfurt a. M., 17.02.2017 (BA/gm)
In Hamburg fanden vom 13. bis 15. Februar 2017 die Betriebsrätefachkonferenzen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) statt. Unter der Motto „Mehr Plan, mehr Sicherheit“ diskutierten mehr als 220 Betriebsräte dringliche Probleme ihrer täglichen Arbeit. Hierzu zählt zum einen die von den Arbeitgebern bewusst forcierte Flexibilisierung, durch die sich die ehemals klaren Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zunehmend auflösen. Doch mindestens ebenso schwer wiegt die drastisch gestiegene Gewalt gegen Lokomotivführer und Zugbegleiter. 

Rücklaufquote 15 Prozent
Zu diesem Thema fand am Abschlusstag der Fachkonferenzen eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion statt. Die Brisanz und Aktualität wurde durch eine gerade veröffentlichte Online-Umfrage der GDL noch einmal besonders deutlich. Im Jahr 2016 hatte die GDL unter ihren Mitgliedern des Zugpersonals eine bundesweite Erhebung zu den Erfahrungen mit Sicherheit und belastenden Ereignissen durchgeführt. Hierzu hat die GDL rund 25.000 Mitglieder befragt. Auf insgesamt 55 Fragen gaben die Lokomotivführer und Zugbegleiter zu belastenden Ereignissen, deren Prävention und Nachsorge Auskunft. Die Rücklaufquote betrug trotz des umfangreichen Fragebogens rund 15 Prozent. Die Zusammensetzung der Befragten unterscheidet sich in Alter, Geschlecht etc. so gut wie nicht von den bekannten Zahlen bei Lokomotivführern und Zugbegleitern in den Eisenbahnverkehrsunternehmen Deutschlands, was für eine hohe Repräsentativität der Ergebnisse spricht. „Niemand verfügt über so gute Voraussetzungen wie wir als GDL, um sich hier einen vergleichbaren Überblick über die Gefährdungen von Lokomotivführern und Zugbegleitern zu verschaffen. Weder die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen noch die durch Politik, Medien oder Wissenschaft vertretene Öffentlichkeit können sich ein derart detailliertes Bild verschaffen “, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky.

Lücken zwischen Erwartung und tatsächlicher Unterstützung
Die Umfrage brachte einerseits erschreckende Erkenntnisse zutage. Andererseits wurden manche Ergebnisse zwar vermutet, allerdings noch nie fundiert zusammengetragen. So ist in der Nacht lediglich einer von zehn Zugbegleitern ohne Bedenken unterwegs. Am Tag arbeitet knapp die Hälfte ohne Bedenken. Fast jeder Zugbegleiter wurde schon einmal beleidigt und mehr als jeder zweite war bereits körperlichen An-griffen ausgesetzt. Lokomotivführer werden in ebenfalls Besorgnis erregendem Maße angegriffen, angespuckt, bedroht und beleidigt. Und in den sechs zentralen Umfragekategorien Beleidigung, Bedrohung, Anspucken, körperlicher Angriff, sexuelle Belästigung und Personenunfall liegen mitunter gewaltige Lücken zwischen der Erwartungshaltung der Kollegen an ihre Arbeitgeber und der tatsächlich wahrgenommenen Unterstützung.

Gute Grundlage, um Arbeitsschutzkonzepte zu verbessern
Die Online-Umfrage ist deshalb auch eine gute Grundlage, um Arbeitsschutzkonzepte zu verbessern. Die Bisherigen reichen dazu definitiv nicht aus. Weselsky: „Der Schutz vor Gewalt, eine angemessene Vorsorge vor belastenden Ereignissen sowie die Fürsorge nach letztlich unvermeidbaren Vorfällen im Berufsleben gehören – neben der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen – seit 150 Jahren zu den wichtigen Faktoren unserer Gewerkschaftsarbeit.“

Autoritätsverlust auf breiter Front
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion bestätigten einhellig die ernüchternden Ergebnisse der GDL-Umfrage. Franz-Xaver Vogl, Leiter des Referates „Bahnpolizeiliche Aufgaben“ beim Bundespolizeipräsidium Potsdam: „Mit dem Erwerb des Fahrscheines schließt der Fahrgast einen Beförderungsvertrag mit dem Eisenbahnverkehrsunternehmen. Aus den Beförderungsbedingungen der Unternehmen ergeben sich für den Fahrgast Rechte, aber auch (Verhaltens-)Pflichten, wenn der Fahrgast die Beförderungsleistung des EVU in Anspruch nimmt. Es ist bedauerlicherweise tendenziell festzustellen, dass Fahrgäste nur ihre Rechte einfordern, jedoch außer Acht lassen, dass ihnen anlässlich der Beförderung im ÖPV auch Pflichten obliegen. Dazu gehört es unter anderem, sich so zu verhalten, dass andere Reisende nicht über Gebühr gestört oder belästigt werden, die Weisungen der Mitarbeiter der EVU zu beachten und keine Gefahren für die Sicherheit und Ordnung zu verursachen.“

Auch Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, betrachtet die Entwicklung mit Sorge: „Die zunehmende Rücksichtslosigkeit ist nicht nur bei der Bahn zu beobachten, sondern wir haben es mit einem Autoritätsverlust auf breiter Front zu tun. Nicht nur der Zugbegleiter und der Polizist, auch der Lehrer, der Pfarrer und der Arzt gelten heute nichts mehr.“ Zur Abschreckung sprach sich Wendt für die konsequente Anwendung der vorhandenen strafrechtlichen Maßnahmen aus.

Der Leiter der DB-Konzernsicherheit Hans-Hilmar Rischke setzt beim Schutz der Beschäftigten vor allem auf den verstärkten Einsatz von Videotechnik: „Zur Vorbeugung vor Gewalt, aber auch wenn unser Personal das Opfer von Straftaten wird, möchten wir die größtmögliche Chance haben, den Täter zu überführen. Dies ist durch Bodycams und Videokameras im öffentlichen Bereich am besten gewährleistet.“ Rischke machte klar, dass Schutz und Sicherheit der DB-Mitarbeiter aller Geschäftsfelder höchste Priorität haben.

Gemeinsam die Sicherheit im und am Zug verbessern
„Das war eine exzellente, sachlich und fachlich fundierte Diskussion. Es hat sich ge-zeigt, dass wir im Umgang mit der Gewalt gegen Beschäftigte zahlreiche gemeinsame Ansätze gefunden haben“, so Claus Weselsky. „Die GDL wird ihren Weg zur Stabilisierung der aktuellen Situation und letztlich zur nachhaltigen Verbesserung der Sicherheit im und am Zug im Sinne ihrer Mitglieder in weiteren Gesprächen mit Eisenbahnverkehrsunternehmen, Verbänden und der Politik konsequent weiter verfolgen.“

Die GDL hat die Kurzfassung der Auswertung zur Onlineumfrage „Mit Sicherheit“ in einer rund 90-seitigen Broschüre herausgegeben. Sie finden diese auf der GDL-Homepage www.gdl.de

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