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BERLINER MORGENPOST: Die Kunden sind die Verlierer

Dorothea Siems über den neuen Streik der Lokführergewerkschaft und die Zukunft der Bahn

Berlin, 09.03.2011 (BA)
Neue Chaostage bei der Bahn: Die Lokführergewerkschaft GDL hat ihren angedrohten Arbeitskampf begonnen. Die enervierenden Warnstreiks der vergangenen Wochen waren der Auftakt, nun folgt der Ernstfall.

Zunächst trifft es den Güterverkehr. Inzwischen werden auch die Pendler und Reisenden nicht mehr verschont. Schließlich will die Zwerggewerkschaft ihre Macht demonstrieren: Alle Räder stehen still, wenn die GDL das will. Und die 26.000 von der Gewerkschaft aufgestachelten Lokomotivführer haben überhaupt kein Problem damit, Millionen Fahrgäste und Zigtausende Unternehmer in Geiselhaft zu nehmen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Auf Verständnis in der Bevölkerung können die Streikenden nicht hoffen. Zu frisch sind die Erinnerungen an das wochenlange Bahndesaster in der Weihnachtszeit. Und auch die Klimaprobleme vom vergangenen Sommer sind noch nicht vergessen. Von der Berliner S-Bahn, die seit mehr als einem Jahr völlig aus dem Takt ist, ganz zu schweigen.

Für eine Hauptstadt und bedeutende Tourismus-Metropole sind derartige Mängel in der Verkehrsinfrastruktur fatal. Diesmal liegt es nicht an der Technik, sondern am menschlichen Faktor, dass die Bahn wieder einmal nicht kommt. Der Imageschaden für dieses einst so zuverlässige Transportmittel ist immens. Und viele zornige Kunden werden sich überlegen, ob sie in Zukunft nicht besser die Schiene meiden.

Dass die Lokführer trotz des arg ramponierten Rufs der Bahn in den Ausstand treten, zeigt, wie wenig sie sich mit dem Dienstleistungsunternehmen identifizieren – und wie wenig sie von Kundenpflege halten. Mit ihrem Streik will die GDL in erster Linie einen Branchentarifvertrag für alle Bahnunternehmen durchsetzen. Die privaten Konkurrenten sollen die besseren Arbeitsbedingungen der Deutschen Bahn übernehmen. Kurioserweise lässt die Gewerkschaftsspitze aber vor allem den Marktführer bestreiken.

Der Bahn wiederum kommt die Forderung nach einem Einheitstarifvertrag, mit dem die Konkurrenz geschwächt wird, durchaus gelegen. Die Verlierer in diesem Spiel stehen somit schon im Voraus fest: Neben den schwer gebeutelten Kunden trifft es die privaten Bahnunternehmen, deren Wettbewerbsvorteile kassiert werden. Das ist umso bedauerlicher, weil der staatseigene Bahnkonzern nur mit mehr und nicht mit noch weniger Konkurrenz auf Trab gebracht wird. Die GDL aber schaufelt sich mit ihrem irrationalen Arbeitskampf selbst ein Grab.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeitgeber drängen die Bundesregierung dazu, solchen Spartengewerkschaften per Gesetz den Garaus zu machen. Dieser höchst überflüssige Streik liefert den Befürwortern der Tarifeinheit die besten Argumente. Somit dürfte dies der letzte Spuk sein, mit dem die GDL die Bahnkunden quält. Für die Berliner aber ist das nur ein kleiner Trost. Denn ihr Ärger mit der S-Bahn wird noch lange Zeit weitergehen. Wenn sich etwas nicht dramatisch ändert, wird die Deutsche Bahn künftig damit leben müssen, dass die Zahl ihrer Wutkunden immer weiter wächst.

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