Archive
Mai 2024
M D M D F S S
« Jan    
 12345
6789101112
13141516171819
20212223242526
2728293031  

Wiener Zeitung: „Wer will die ÖBB kaufen?“

Leitartikel von Reinhard Göweil

Wien, 07.06.2011 (BA/kmn)
Die ÖBB-Privatisierungspläne von Finanzministerin Maria Fekter sind sicher gut gemeint, aber nicht besonders realistisch. Der Güterverkehrsbereich grundelt tief in den roten Zahlen. Wenn sich überhaupt jemand dafür findet, kann man ihn im Moment höchstens verschenken. Besonders sinnvoll wäre das nicht, da ist es wohl klüger, dem Management die Chance zu geben, ihn zu sanieren.

Für diese Sanierung stehen den ÖBB zwei Wege offen: Entweder nimmt der Eigentümer Republik 400 Millionen Euro in die Hand und glaubt der Versicherung von ÖBB-Chef Christian Kern, dass er damit einen Firmenwert von einer Milliarde Euro erreichen kann. Oder die ÖBB schicken beamtete Mitarbeiter in Zwangspension. Das kostet die Republik Österreich – erraten – 400 Millionen Euro. Finanzministerin Fekter hat sich offensichtlich für die zweite Variante entschieden, dem Kapitalwunsch erteilte sie bereits eine Absage.

Und es ist auch zu vermuten, dass die heimische Industrie bei diesem Privatisierungswunsch der umtriebigen Ministerin eher zurückhaltend bleibt. Denn die ÖBB transportieren Holz und Papier zu überaus günstigen Konditionen auf der Schiene – und das nicht einmal kostendeckend. Ein privater Eigentümer würde als Erstes die Preise erhöhen.

Nun kann natürlich der berechtigte Einwand erhoben werden, dass die ÖBB die Republik in der Hand haben. Was immer das Unternehmen tut, am Ende bekommt der Steuerzahler die Rechnung präsentiert. Genau so ist es auch.

Die Finanzministerin hat mit ihrem Privatisierungswunsch vermutlich gemeint, dass sie nicht noch mehr Geld in die Bahn pumpen will. Nicht einmal das funktioniert, wie Verkehrsexperten erklären. Eine nicht-subventionierte Bahngesellschaft gibt es in ganz Europa nicht. Und eine Schenkung an die staatliche Deutsche Bahn ginge wohl kaum als Privatisierung durch…

Was also tun? Ein Ende der politischen Phrasendrescherei in Sachen ÖBB wäre ein erster Schritt. Eine Änderung des ÖBB-Dienstrechts wäre zwar heikel, aber ein mutiger Schritt. Es ginge dabei vor allem um den Versetzungsschutz, die Gehälter der ÖBB-Bediensteten sind nicht das Problem. Und es ginge um eine grundsätzliche Entscheidung, was die ÖBB künftig tun sollen. Wenn die flächendeckende Versorgung aufrechterhalten wird, kostet das auch in Zukunft Steuergeld. Auch für diesen Satz sollte die Regierung den Mut aufbringen.

von Reinhard Göweil

Kommentieren ist momentan nicht möglich.